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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0099
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Studien über Rudolf von Ems.

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Auch die Dinge sind weithin realistisch erfaßt* 1, der Lebensgehalt
ist, trotz der romanhaften Begebenheiten, stark in die erfahrungs-
gemäße Wirklichkeit gezogen. Eine solche Vergegenständlichung
der Dinge paßt zu dem Blickpunkt, von dem aus der Dichter
seinen Stoff betrachtet: der Willehalm ist ein historischer Roman2 * *.
Die geschichtlichen Ereignisse sind ja durchsichtig und von der
Forschung aufgedeckt, die Vorgänge tragen oft stark politischen
Charakter, Kriegspolitik, Friedensschlüsse, Verhandlungen und
Verträge, politische Heiraten u. dgl. treten auch noch in der
romanhaften Erzählung als Momente geschichtlicher Wirklichkeit
greifbar hervor. Der ordnende Sinn des Historikers äußert sich
in der Feststellung der Chronologie, Rudolf will ein klares Bild
von der geschichtlichen Entwicklung erwecken und gibt darum
gern die Zeit an, in der ein Ereignis stattgefunden hat. Er bestimmt
den Termin, den Tag, die Lebensjahre: ein tac wird gesprochen
über eine wochen, zwuo, vier oder dri. .402—410. 430 f.; die Er-
ziehung Willehalms wird in Jahreszahlen angegeben 2704—2726.
1771: Do wart er eines järes alt 2704, Kam daz dritte jär, dar nach
Dem vierden was ze körnen gächDliii. ... In dis en vier jär en 2727 usw.
Do begreif er, daz ist war, Mit alter Daz drizehende jär, Daz fünf-
zehendeste an witzen gar 3941—3943, vgl. 4101; die Krankheits-
geschichte Willehalms wird nach Tagen und Tageszeiten berichtet
4616. 4642f. 4645. 4652. 4675; ferner Den tac und da vor in zwein
tagen 5696; Wir hän ze pfingsten niht me Wan drizehen wochen 5556 f.;
Als er den sumer wolte varn 5889; Nu ze mitter ougste zit, So unser
frouwen messe gellt 6933 f.; ein halbez jär 10190; siben tage 10148;
Originaltext Gotfrids, vgl. Herold, Der Münchener Tristan, QF 114. Ranke
hat Ztschr. f. d. A. 55, 406. 414 f. die ansprechende Vermutung aufgestellt, daß
der Meister Hesse von Straßburg der seriösere, notarius burgensium, der Ur-
heber der temperierenden Tristanfassung M gewesen sei. Gerade ein Notar,
dessen Sprachgefühl sich in den nüchternen Formen des Geschäftsstils be-
wegte, könnte sich veranlaßt sehen, außergewöhnlich poetische Ausdrücke
in einfachere zu korrigieren. Viele Schreiber von Handschriften waren Kanzlei-
beamte. Eine Ausgabe des Renner mit besonderem Register hat der Proto-
notarius des Bistums Würzburg, Michael de Leone, veranstaltet.
1 Gervinus, Gesch. d. d. Dicht. 25, 57.
2 Der Grundplan der Erzählung lautet: ein junger Mensch niederen
Standes liebt eine Prinzessin, er entführt sie, wird gefangen, zur Buße wird
ihm das Gebot (gess) auf erlegt, so lange zu schweigen (vgl. Erec und Enite),
bis sie ihn reden heiße. Die Erringung einer Prinzessin und das Schweige-
gebot sind ganz geläufige Märchenmotive. Das Märchen ist unter Benutzung
von griechisch-byzantinischen Motiven zu einem Ritterroman ausgebildet
und dieser in eine historische Umgebung versetzt. Vgl. Lüdicke S. 73f.
 
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