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Ehrismann, Gustav; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 8. Abhandlung): Studien über Rudolf von Ems: Beiträge zur Geschichte d. Rhetorik u. Ethik im Mittelalter — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37685#0103
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Studien über Rudolf von Ems.

103

D. Die Weltanschauung in Rudolfs Werken.
Allen Werken Rudolfs von Ems liegen sittliche Ideen zu-
grunde, die auf dem Kern der mittelalterlichen Weltanschauung
beruhen, dem Verhältnis des Menschen zu Gott und zu der Welt.
In den beiden älteren Werken, dem g. Gerhard und dem Bar-
laam, werden religiöse Typen gezeichnet, gottstrebende Menschen,
die beiden folgenden, der Alexander und der Willehalm, stellen
das Individuum in seinem weltlichen Leben dar, die Weltchronik
endlich setzt sich die ganze Menschheitsgeschichte zum Gegen-
stand. Rudolf macht selbst Angaben über die ethischen Ziele,
die seine Werke verfolgen, indem er, den Regeln der Rhetorik
entsprechend, den Zweck der Dichtkunst in das Nützen (Moral-
lehren) und Ergötzen verlegt. Der Barlaam soll nur belehren
(bezzern), er soll den christlichen Glauben stärken und fördern,
er ist zur bezzerunge der kristenheit bestimmt 404, 3, ist ein Ehren-
zeugnis für die Christenheit 404, 14, ein Vorbild in guter Lehre
4, 37-40, ferner 4,32. 5, 18. 403, 2. 13. 14. 18. 22. 404, 20. 21. Den
gleichen religiösen Zweck, eine bezzerunge der kristenheit zu sein,
hat der g. Gerhard (6809 — 6812), zugleich aber soll er auch zur
Unterhaltung, kurzwile, dienen 6840. 6846. 6918, außerdem aber
hatte der Dichter durch seine Arbeit auch noch die Gunst der
werden Hute zu erwerben 6843—6849. Dieselben drei Absichten
verfolgt der Dichter mit dem Alexander. Auch dieses Werk hat
einen moralischen Zweck (gebezzern 12957, bezzerunge 13007), aber
es ist ethisch anders gewendet: nicht christlichen Glauben wie der
Barlaam und der g. Gerhard soll es lehren, sondern Laienhumanität
12941—12964. Es soll außerdem unterhalten (kurzewile 8036) und
seinem Verfasser Gunst erwerben (34 u. ö.). Im Gegensatz zu den
vorhergehenden Dichtungen wird dem Willehalm gar keine
moralische Tendenz beigelegt (eine solche liegt aber doch in dem
lehrhaften Abschluß), doch wird der höfische Inhalt den werden
und eregernden zur Beherzigung empfohlen 89 — 123, um deren
Gunst der Dichter gearbeitet hat. Auch die Weltchronik ist
nicht zu sittlicher Wirkung bestimmt, aber doch kann man viel
Wunderbares daraus lernen 21708—21710. Des Kaisers Lohn soll
sie dem Dichter einbringen 21688, kurzewile soll sie gewähren
21714 f. Rudolf gebraucht das Wort nicht nur in der leichteren
Bedeutung von „Zeitvertreib“, „erheiternde Unterhaltung“, son-
dern auch, und gerade hier, mit ethischer Färbung: die Beschäf-
tigung mit einem Buche kann vielleicht dem Leser mißmutige
 
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