8
Ernst Lohmeyer:
2.
Die Vorstellung vom göttlichen Dufte als einer Form der
göttlichen Offenbarung hat in der hellenischen Mythologie vor
allem nach zwei Seiten hin Erweiterungen und Bereicherungen
erfahren, die den Umkreis ihrer Geltung und den Gehalt der in
ihr beschlossenen seelischen Empfindung umschreiben.
Wir betrachten zunächst die Gestalt, die das Symbol durch
Verbindung mit dem Leben und Weben der Natur gewonnen hat.
Homer läßt einmal Hera erzählen (II. 0, 152ff.):
εύρον δ’ εύρυόπα Κρονίδην άνά Γαργάρω άκρω
ήμενον · άμφί δέ μιν Τυόεν νέφος έστεφάνωτο.
Ähnlich heißt es von der Höhle auf dem Idagebirge, in der Maja
den Knaben Hermes birgt (Hom. hymn. 3, 231 f.):
όδμή δ’ ίμερόεσσα δι’ ουρεος ήγαΈέοιο
κίδνατο ·
Hier scheint das Bild des göttlichen Duftes mit iVaturerscheinungen
verbunden und nach ihnen neu gedeutet. Noch deutlicher in dieser
Tendenz sind einige andere mythische Erzählungen. Der Regen-
bogen, das leuchtende, Himmel und Erde verbindende Götter-
zeichen, durchdringt mit seinem unbeschreiblichen Wohlgeruch
Himmel und Erde, und wo die Enden seines Bogens die Erde
berühren1, da atmen alle Blumen in göttlichem Dufte. Von dem
Narkissosbaum, den die Gäa der Persephone zum Trug aufwachsen
ließ, berichtet der homerische Hymnus an Demeter (10ff.)2:
Ταυμαστόν γανόωντα, σέβας τότε πασί,ν ίδέσΤαι
άΤανάτοις τε -9-εοϊς ήδέ Ένητοΐς άνΤρώποι,ς ·
του καί από ρίζης έκατόν γε κάρην’ έπεφύκεμ
κηώδει δ’ όδμη πας τ’ούρανός εύρύς υπερθ-ε
γαΐα τε πασ’ έγέλασσε καί αλμυρόν οίδμα Ταλάσσης.
1 Vgl. z. Β. Theophrast, causa plant. VI, 17, 7: nam et quod de arcu
coelesti referunt, arbores et loca reddere odorata, quaecumque attigerit, simile
est. S. auch Gruppe, Griech. Mythol. u. Rel.-Gesell. 834. Zu dem Gedanken
vgl. auch Goethes Faust II, 1. Akt:
Allein wie herrlich diesem Sturm entsprießend
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
2 Vielleicht ist auch diese Erzählung nur eine poetisch-menschliche
Umdeutung des Regenbogenmythus. Vgl. Gruppe, a. a. O. S. 833.
Ernst Lohmeyer:
2.
Die Vorstellung vom göttlichen Dufte als einer Form der
göttlichen Offenbarung hat in der hellenischen Mythologie vor
allem nach zwei Seiten hin Erweiterungen und Bereicherungen
erfahren, die den Umkreis ihrer Geltung und den Gehalt der in
ihr beschlossenen seelischen Empfindung umschreiben.
Wir betrachten zunächst die Gestalt, die das Symbol durch
Verbindung mit dem Leben und Weben der Natur gewonnen hat.
Homer läßt einmal Hera erzählen (II. 0, 152ff.):
εύρον δ’ εύρυόπα Κρονίδην άνά Γαργάρω άκρω
ήμενον · άμφί δέ μιν Τυόεν νέφος έστεφάνωτο.
Ähnlich heißt es von der Höhle auf dem Idagebirge, in der Maja
den Knaben Hermes birgt (Hom. hymn. 3, 231 f.):
όδμή δ’ ίμερόεσσα δι’ ουρεος ήγαΈέοιο
κίδνατο ·
Hier scheint das Bild des göttlichen Duftes mit iVaturerscheinungen
verbunden und nach ihnen neu gedeutet. Noch deutlicher in dieser
Tendenz sind einige andere mythische Erzählungen. Der Regen-
bogen, das leuchtende, Himmel und Erde verbindende Götter-
zeichen, durchdringt mit seinem unbeschreiblichen Wohlgeruch
Himmel und Erde, und wo die Enden seines Bogens die Erde
berühren1, da atmen alle Blumen in göttlichem Dufte. Von dem
Narkissosbaum, den die Gäa der Persephone zum Trug aufwachsen
ließ, berichtet der homerische Hymnus an Demeter (10ff.)2:
Ταυμαστόν γανόωντα, σέβας τότε πασί,ν ίδέσΤαι
άΤανάτοις τε -9-εοϊς ήδέ Ένητοΐς άνΤρώποι,ς ·
του καί από ρίζης έκατόν γε κάρην’ έπεφύκεμ
κηώδει δ’ όδμη πας τ’ούρανός εύρύς υπερθ-ε
γαΐα τε πασ’ έγέλασσε καί αλμυρόν οίδμα Ταλάσσης.
1 Vgl. z. Β. Theophrast, causa plant. VI, 17, 7: nam et quod de arcu
coelesti referunt, arbores et loca reddere odorata, quaecumque attigerit, simile
est. S. auch Gruppe, Griech. Mythol. u. Rel.-Gesell. 834. Zu dem Gedanken
vgl. auch Goethes Faust II, 1. Akt:
Allein wie herrlich diesem Sturm entsprießend
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
2 Vielleicht ist auch diese Erzählung nur eine poetisch-menschliche
Umdeutung des Regenbogenmythus. Vgl. Gruppe, a. a. O. S. 833.