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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0024
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24

Ernst Lohmeyer:

Gestalt einer schönen, leuchtenden Jungfrau.Auf die Frage
der Seele, wer sie sei, antwortet diese: „Jüngling von guten Ge-
danken, guten Worten, guten Taten, guter Religion, ich bin deine
Religion. Jeder liebte dich um der Größe, Güte, Schönheit, des
guten Geruches willen, den ich in dir finde. Denn Du liebtest
mich, Jüngling von guten Gedanken, guten Worten, guten Taten,
guter Religion um der Größe, Güte, Schönheit, des guten Geruches
willen, den Du in mir findest.“1
Die Entsinnlichung des Duftsymbols ist in dieser neuen Aus-
deutung noch stärker als in der auf die Götterwelt bezogenen
Grundvorstelhmg; es ist eine Allegorie für die im Menschen leben-
digen sittlichen Kräfte geworden2. Der Gegensatz zu der griechi-
schen Anschauung, die um Leben und Tod geht, ist hier noch deut-
licher ausgeprägt. Aber gerade diese Deutung ist später im Juden-
tum3 von Einfluß gewesen.

3.
Wir fassen das bisher Gesagte kurz zusammen. Die Vor-
stellung vom göttlichen Wohlgeruch ist nicht eine besondere An-
schauung einer bestimmten Religion, sondern eine allgemeine ver-
schiedener antiker Religionen. Der Wohlgeruch ist in ihnen Merk-
mal göttlichen Lebens, Zeichen göttlicher Nähe, Form göttlicher
Offenbarung. Die besondere Art und Gestalt, die die Vorstellung
in den einzelnen Religionen gewonnen hat, wird durch die Art
der Gottesanschauung bestimmt; wie in einem kleineren Rüde
verdichtet sich in dem Duftsymbol das Wesen, der lebendige
Hauch jeder Religiosität. Das Symbol hat in Griechenland seine
menschlichste, sinnlichste und sinnvollste Deutung erfahren; in
Ägypten ist es am engsten mit Opfergedanken und den Vorstel-
lungen vom Leben nach dem Tode verbunden. In der persischen
Religion ist es zu einem Rüde sittlicher Kräfte geworden.
1 Das Gegenbild von dem Schicksal der gottlosen Seele fehlt an dieser
Stelle bis auf ein geringes Bruchstück (s. oben S. 23, Anm. 3). In einzelnen
Zügen wird die Begegnung mit der schlechten Daena in Ardai Viraf 17, 12—17
geschildert.
2 Von hier aus ist das Symbol auch in den Islam eingedrungen. Vgl.
darüber Wolff, Muhammed. Eschatologie nach der Leipz. u. Dresd. Hand-
schrift arabisch und deutsch mit Anmerkungen 1872, c. 14; auch S. 61 f., 65;
Rüling, Beiträge zur Eschatologie des Islam, 1895, S. 42.
3 S. darüber unten S. 30.
 
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