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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 9. Abhandlung): Vom goettlichen Wohlgeruch — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37686#0047
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Vom göttlichen Wohlgeruch.

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gilt1, gilt ebenso dann von den Dingen, die sie berühren. In der
bekannten Legende von der Auffindung des Kreuzes auf Golgatha
wird die Stätte, wo es in der Erde verborgen liegt, durch den
Geruch angezeigt, der von dem Kreuze ausströmt2.
Den komplementären Gegensatz zu dieser Vorstellung bildet
dann die andere, daß die widergöttlichen Mächte sich durch den
widrigen Geruch offenbaren — eine Anschauung, die ebenfalls
der griechischen Mythologie entlehnt und vielleicht durch orien-
talische Vorstellungen verstärkt ist3. Hier Beispiele anzuführen
ist unnötig; bis in unsere Zeit hinein hat sich ja Glaube und Wort
vom Gestank des Teufels erhalten4.
1 Ferner Acta S. Luciae et Geminiani 7 (Acta Sanct. 16 Sept. V, 211 ff.);
sehr anschaulich Passio s. Vincentii Levitae (bei Ruinart, Acta mart.
Verona 1781, S. 327): Garceris illius non alternam lucem, flagrant cerei ultra
solis fulgorem radiantes laxatumque ligni robur dissiluit ac testarum asperitas
fit florum jocunditas et mollities (vgl. dazu Vergil, Ecl. IV, 23 oben S. 6,
Anm. 3) .Sic que solitudo horribilis angelorum frequentia. Aus dem
9. Jahrhundert noch Vita Bavonis c. 12 (Monum. Germ. Histor. Scriptores
rer. Merov. IV, 543). Dasselbe gilt von den Erscheinungen der Heiligen; so
schon in den libri duo de vita acMiraculisTheclae virginismartyrislconiensis
des Bischofs Basilius v. Seleucia (Antwerpen 1608) 3, 142: κάπηλθε ζέφυρον
ώς είπεΐν, αύτη μόνον λιγυρόν έμπνέοντα κκταλείψασα. διεγένετο μέν οόν.
οώτή μόνη ώς έν ήρι . . . διάγουσα. Vgl. Deubner, Incubat., S. 99.
2 S. Nestle, de sancta cruce, S. 48. 60; weiteres ebendort, S. 68 ff. 78.
3 Vgl. oben S. 34 Anm. 3.
4 Noch in später Zeit sind die beiden Arten der Duftvorstellung erhalten.
Ich führe als Beispiel aus dem 17. Jahrhundert noch die satirische Messias-
novelle Grimmelshausens an, in der das alte Symbol zum grotesken novellisti-
schen Motiv umgewandelt ist: Ein Kaufmann verkleidet sich in listiger Be-
nutzung jüdischen Messiasglaubens in Gewand und Gestalt eines Engels,
um zu seiner Geliebten zu gelangen, die er nur durch List zu erringen vermag.
Um die Rolle auch wahrheitsgetreu durchzuspielen, verfertigt er sich ein Horn
und füllt es mit duftenden Essenzen. So erscheint er dem Vater der Geliebten,
Eliezer, und erlangt durch die Göttlichkeit seiner Erscheinung, daß dieser
über die versprochene Ehe mit seiner Tochter hochbeglückt ist. Als der Kauf-
mann von ihm geht, „blies ich gegen den Eliezer durch meinen Poma d’amber
und machte dadurch einen solchen starken und lieblichen Geruch im ganzen
Zimmer, daß der arme Schelm vor Freuden vermeinte, er wäre schon halber
im Paradeis. Und dies war das rechte Sigill, so meine vorgebrachten Lügen
vor einer Wahrheit bestätigte. Dann gleich wie Eliezer etwan gehöret oder
gelesen haben mag, daß die bösen Geister nach ihrer Erscheinung einen gar-
stigen Gestank hinder sich lassen, also glaubte er gewiß und festiglich, daß
hingegen gute Engel mit ITinderlassung eines paradisischen Geruchs ab-
scheiden.“ Über ein verwandtes Beispiel aus unserer Zeit berichtet Weinel,
a. a. O., S. 197.
 
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