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Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0037
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Exotismüs der Sinne.

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fällen können, wenn nicht ein solcher Kenner wie Baudelaire in
seinen Paradis artificiels ausdrücklich feststellte, daß Poe an
vielen Stellen und gerade auch an dieser den Versuch macht, die
düstere und anziehende Herrlichkeit des Opiums zu beschreiben.
Auch was Baudelaire von Poes Alkoholgenuß sagt, gilt sicher-
lich zum guten Teil für seinen Hang zum Opium; nach
Baudelaire hatte der Dichter „das Trinken gelernt, wie ein sorg-
samer Literat sich Mühe gibt, Notizen zu sammeln. Er konnte
dem Verlangen nicht widerstehen, die wunderbaren oder schreck-
lichen Visionen, die feinen, zarten Konzeptionen wiederzufinden,
die ihm in einem früheren Sturme begegnet waren.“ Wir können
das darum schon annehmen, weil Poe genau wie Gautier in viel
höherem Grade, als seine Biographen das zugeben, vom Genuß
des Opiums abhängig gewesen ist.56a Nicht umsonst bemerkt Poe
(1845) bei Gelegenheit von De Ouincey's Memoiren, es sei noch
Raum da für ein Buch über dem Opiumgenuß, welches das inter-
essanteste Buch werden würde, das je geschrieben worden
sei. Nicht umsonst greifein die Helden seiner Erzählungen so
gern zum Opium Und nicht umsonst sind ihre Neigungen
und Visionen typisch für OpiumraJucher. Im House of TJsher
gedenkt der Held der Depressionen, wie sie dem Opiumrausch
zu folgen pflegen. In A Tale of the Rag ged Mountains
steigert Bedloe seine Phantasietätigkeit durch regelmäßige Do-
sen Morphium, die er des Morgens mit seinem Kaffee ein-
nimmt. In Ligeia (1838) erklärt der Glatte1, daß er ein Sklave
des Opiums geworden war. Diese Helden der Poeschen Er-
zählungen sind Exotisten in der Art von Poe selbst. Bei ihnen
wie hei ihrem Urheber spielen die Wohlgerüche jene Rolle, der
wir bei allen „Orientalisten“ begegnen.57 In ihre Neigungen und
Visionen greift häufig genug der Orient und eine orientalisch ge-
färbte Antike ein; die künstliche Welt, die sie um sich errichten,
erhält zum guten Teil dadurch ihre Färbung. Am charakte
ristischsten liegt der Fall bei dem Glatten der Ligeia, der unter
der Einwirkung des Opiumgenusses seine Gemächer mit allen
möglichen phantastischen Draperien und ägyptischen Bildwerken
ausschmücken läßt: and my Orders had taken a colouring from
56a Eine Ausnahme machen Lauvriere, Un genie morbide (These, Paris
1904), I172lf., II29ff. und Bjürman, Edgar Allan Poe (Lund 1916) S. 29.
57 Selbst in einer Erzählung wie Hop-Frog spielen bei den Vorbereitungen
zum Maskeniest die Wohlgerüche ihre . Rolle.
 
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