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Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0041
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Exotismus der Sinne.

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Leidenschaft an den Höfen der Farnese oder Borgia. Die Men-
schen dieser Zeit, die noch frei sind von Dezenz und Heuchelei,
stehen ihm näher als seine Zeitgenossen. Aus Berichten über
sie, die er mit leidenschaftlichem Eifer sammelt, formt er eine
Reihe von Novellen (L’abbesse de Castro, Vittoria Accoramboni,
Les Cenci und La Duchesse de Palliano 1832), in denen er an
dem Italien des 16. und 17. Jahrhunderts, das zwar keine Moral
hatte, dafür aber große Menschen hervorbrachte59, die Taten des
Brigantentums, der Liebesleidenschaft und der Rachsucht feiert.
Dieses exotistischen Neigungen entsprungene Wunschbild Italiens
erscheint wieder in seinem Roman La Chartreuse de Panne
(1839), wo die Figuren Italiener des 19. Jahrhunderts sind, aber
mit den Leidenschaften des 16. Jahrhunderts. Für den Helden
Fabrice del Dongo war Alexander Farnese das direkte Vorbild;
in der Herzogin Sanseverina, einer Gestalt von echter Renais-
sance-Leidenschaft, wollte er nach seinen eigenen Worten eine
Figur in der Art Correggios malen.60
Auf Grund seiner epikureischen, lustbetonenden Lehens-
auffassung begeistert er sich ähnlich wie Heinse und viele spä-
tere Exotisten auch für bestimmte Seiten der Antike. Auch
im alten Griechenland entdeckt er noch jenen freien Menschen-
typus, den seine Zeit nicht mehr kennt: Tous les grands hommes
grecs etaient libertins; cette passion dans un 'komme indique
renergie, qualite sine qua non genius.61 Er glaubt, die antike
Sitte der Sklaverei so gut, wie die Gewohnheiten des kaiserlichen
Roms, ja als erster unter den Exotisten auch die abnormen
Formen der antiken Liebe, die Knabenliebe eines Alexander,
Cäsar oder Hadrian und die lesbische Liehe verteidigen zu
müssen.62 Weit über Heinse hinaus geht seine Gegenüberstellung
von Heidentum und Christentum. Nach ihm war die antike
Religion für die Menschen wie ein Fest, war eine Förderin der
Kunst, war frei von religiösem Fanatismus und hatte nicht die
Aufgabe, die Gläubigen einzuschüchtern.63 Von den Formen des

59 Vgl. besonders die Einleitung zu L’Abesse de Castro; ferner den Brief
aus Rom vom 28. März 1833.
60 Vgl. A. CHUQUET, Stendhal-Beyle (1902), S. 423ff.
61 Journal de Stendhal 1801—1814 (Paris 1899), S. 31. Vgl. auch das
6. Buch der Histoire de la Peinture en Italie.
62 Vgl. CHUQUET, a. a. 0., S. 461.
63 Vgl. besonders das Vorwort zu der Novelle Les Cenci.
 
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