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Brie, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1920, 3. Abhandlung): Exotismus der Sinne: eine Studie zur Psychologie der Romantik — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37770#0072
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72

Friedrich Brie:

mischen Zug und die „dionysische“ Auffassung der Antike ge-
wann dagegen Swinbume aus dem Studium der französischen
Exotisten. Unter diesen Einflüssen beginnt er sich um 1860
als „Eieide“ zu empfinden. Schon 1861 spricht er von seinen
heathen hands,137 Drei Jahre später138 wirft er Tennyson vor, daß
er kein Heide ist und auch keiner zu sein wünscht, vielmehr
glaubt, etwas Besseres sein zu können. Die nächsten Jahre139
kontrastiert er in seinem lieatlien mind Judentum und Puritanis-
mus auf der einen und Griechentum auf der anderen Seite, um
sich für Leonidas gegen Josua und für Marathon gegen Gilgat
zu entscheiden. Noch 1875140 vermerkt er, daß er die griechische
Geschichte und Mythologie („in ihrem tieferen Sinn und ihrer
weiteren Bedeutung“) als die eines arischen Volkes sich näher
empfinde als die der Juden. Ganz ähnlich ist seine Stellung
gegenüber der Renaissance. Schon 1861 zählt Lucrezia Borgia
zu seinen bevorzugten Gestalten141; hier mag Rossettis Interesse
für die Borgias, das sich in seinen Borgia-Zeichnungen (zwischen
1850 und 1860) kundgab', bestimmend eingewirkt haben. Aber
im selben Jahre plant er auch bereits seinen Tritameron, eine
Sammlung von Novellen, die zum guten Teil in der italienischen
Renaissance sich abspielen sollten. Seine weitere Begeisterung
für die . „heidnische“ Seite der Renaissance empfängt er zum
Teil auf dem Umweg über den Dramatiker Webster. Schon sein
Versdrama Chastelard, an dem er seit seinem 21. Lebensjahre
arbeitete, ist „heidnisch“ im Webster-Swinburneschen Sinne, in-
sofern als hier die sinnliche Liebe als zentrale Leidenschaft alle
anderen Bande und Gefühle, selbst Religion und Vaterland, ver-
schlingt. Zwischen seinem 23. und 29. Lebensjahre entstehen
die entscheidenden Gedichte der Poems and Ballads (1866).
Ähnlich wie in Gautiers Mademoiselle de Maupin, die Swinburne
mit begeisterten Worten gepriesen hat, gibt sich der Exotismus
kund in der Verherrlichung jenes Zeitalters, wo Gott und Mensch
noch ohne Schranken nur der Leidenschaft und der Schönheit
dienten, in dem Preis heidnischer Sinnenlust und rein sinnlicher
Schönheit und in einer dementsprechenden Empörung gegen das
137 The Letters of Swiabume ed. GOSSE and WlSE (1918), 111.
138 A. a. 0., I 21.
139 A. a. 0., 132.
140 A. a. O., I 241 (8. September 1875).
141 111.
 
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