28
E. Frii. v. Künssberg:
16. Jahrhunderts hatten die Kinder bei einer Grundsteinlegung
noch einen neuen Dreier Währungsmünzen aus dem Jahre bekom-
men1; 1650 wurde nach dem 30jährigen Kriege auf der Kaiserburg
in Nürnberg der Friedensexekutionshauptschluß unterzeichnet. Da
verbreitete sich das Gerücht, der kaiserliche Prinzipalkommissarius
Piccolomini werde allen Knaben, die am nächsten Sonntag auf
Steckenpferden vor seiner Wohnung sich einfinden würden, eine
Silbermünze schenken. In ganzen Schwadronen zogen daher die
erfreuten Jungen auf. Piccolomini freute sich und bestellte sie
auf den nächsten Sonntag. Da erhielt dann jeder der 1476 Knaben
zum Andenken eine Klippe, die auf der einen Seite einen Stecken-
pferdreiter, auf der anderen den Doppeladler zeigte2. Sogar gele-
gentlich der Grundsteinlegung eines Zuchthauses im Jahre 1673
prägte man in Nürnberg einen Schaupfennig3.
§ 40. 5. Zu manchen Rechtsbräuchen zieht man die Kinder deshalb
heran, weil sie unschuldig sind. Die Unschuld und kultische
Reinheit4 der Kinder gilt im Aberglauben aller Völker als besonders
wirkungsvoll und zauberkräftig. Es ist kein Wunder, wenn wir
diesen religiösen Gedanken auch rechtlich beachtet finden. Kinder
werden zugezogen, weil ihre Unschuld Glück bringt5, ln der Lex
§ 41. Frisionum wird im Titel 14 ausführlich das Losen beschrieben, wo
es sich darum handelt, den Schuldigen zu finden, wenn jemand bei
einer Schlägerei oder im Getümmel getötet worden war. Da nimmt
ein unschuldiger Knabe die Losstäbchen vom Altar, si presbyter
deest puer quilibet innocens, . . . unum de ipsis sortibus de altari
tollere debet. Dann noch einmal: puer innocens unumguemque eorum
singillatim de altcii'i tollat,, et ei qui suarn sortem esse cognoverit,
rogatG. Dieser Brauch hat sich7 durch die Jahrhunderte bis heute
1 Boesch, Kinderleben in der Vergangenheit, S. 88. Über Mairitt auf
Steckenpferden vgl. Wüstefeld, Eichsfelder Volksleben, 1919, S. 108.
Osterritt um die Kirche ebd. 82 ff.
2 Rochholz, Alemann. Kinderlied, 466. Beispiele für Münzspenden bei
fürstlichen Besuchen. Boesch, Kinderleben, 89ff.
3 Deutsches Leben der Vergangenheit in Bildern, S. 303, Nr. 1206.
4 Fehrle, Kultische Keuschheit im Altertum, 1910, S. 54ff.
5 Glück soll es z. B. auch bringen, wenn Kinder die Braut am Hochzeits-
tage begrüßen, oder den einziehenden Herrscher.
6 Dem kleinen Knaben wird das ganze Losen, bei dem es um Schuld
oder Nichtschuld ging, wie ein Spiel vorgekommen sein; der ganze Titel
liest sich auch beinahe wie eine Spielregel. Vgl. die Frage im Pfänderspiel.
7 Auch im altrömischen Kultus der Fortuna Primigenia mischte und
zog ein puer die Lose. Cicero de divin. II 85f. Wissowa, Religion und Kultur
der Römer2, S. 260, 4.
E. Frii. v. Künssberg:
16. Jahrhunderts hatten die Kinder bei einer Grundsteinlegung
noch einen neuen Dreier Währungsmünzen aus dem Jahre bekom-
men1; 1650 wurde nach dem 30jährigen Kriege auf der Kaiserburg
in Nürnberg der Friedensexekutionshauptschluß unterzeichnet. Da
verbreitete sich das Gerücht, der kaiserliche Prinzipalkommissarius
Piccolomini werde allen Knaben, die am nächsten Sonntag auf
Steckenpferden vor seiner Wohnung sich einfinden würden, eine
Silbermünze schenken. In ganzen Schwadronen zogen daher die
erfreuten Jungen auf. Piccolomini freute sich und bestellte sie
auf den nächsten Sonntag. Da erhielt dann jeder der 1476 Knaben
zum Andenken eine Klippe, die auf der einen Seite einen Stecken-
pferdreiter, auf der anderen den Doppeladler zeigte2. Sogar gele-
gentlich der Grundsteinlegung eines Zuchthauses im Jahre 1673
prägte man in Nürnberg einen Schaupfennig3.
§ 40. 5. Zu manchen Rechtsbräuchen zieht man die Kinder deshalb
heran, weil sie unschuldig sind. Die Unschuld und kultische
Reinheit4 der Kinder gilt im Aberglauben aller Völker als besonders
wirkungsvoll und zauberkräftig. Es ist kein Wunder, wenn wir
diesen religiösen Gedanken auch rechtlich beachtet finden. Kinder
werden zugezogen, weil ihre Unschuld Glück bringt5, ln der Lex
§ 41. Frisionum wird im Titel 14 ausführlich das Losen beschrieben, wo
es sich darum handelt, den Schuldigen zu finden, wenn jemand bei
einer Schlägerei oder im Getümmel getötet worden war. Da nimmt
ein unschuldiger Knabe die Losstäbchen vom Altar, si presbyter
deest puer quilibet innocens, . . . unum de ipsis sortibus de altari
tollere debet. Dann noch einmal: puer innocens unumguemque eorum
singillatim de altcii'i tollat,, et ei qui suarn sortem esse cognoverit,
rogatG. Dieser Brauch hat sich7 durch die Jahrhunderte bis heute
1 Boesch, Kinderleben in der Vergangenheit, S. 88. Über Mairitt auf
Steckenpferden vgl. Wüstefeld, Eichsfelder Volksleben, 1919, S. 108.
Osterritt um die Kirche ebd. 82 ff.
2 Rochholz, Alemann. Kinderlied, 466. Beispiele für Münzspenden bei
fürstlichen Besuchen. Boesch, Kinderleben, 89ff.
3 Deutsches Leben der Vergangenheit in Bildern, S. 303, Nr. 1206.
4 Fehrle, Kultische Keuschheit im Altertum, 1910, S. 54ff.
5 Glück soll es z. B. auch bringen, wenn Kinder die Braut am Hochzeits-
tage begrüßen, oder den einziehenden Herrscher.
6 Dem kleinen Knaben wird das ganze Losen, bei dem es um Schuld
oder Nichtschuld ging, wie ein Spiel vorgekommen sein; der ganze Titel
liest sich auch beinahe wie eine Spielregel. Vgl. die Frage im Pfänderspiel.
7 Auch im altrömischen Kultus der Fortuna Primigenia mischte und
zog ein puer die Lose. Cicero de divin. II 85f. Wissowa, Religion und Kultur
der Römer2, S. 260, 4.