Einleitung'.
des 16. Jahrhunderts beurteilen will, muß zuvor die Frage
beantworten können, bis zu welchem Grade die Reformer über-
haupt imstande waren, den scholastischen Lehrbetrieb durch
Besseres zu ersetzen. Aber darüber hinaus ruhen die Wurzeln des
modernen Denkens mit feinen, noch längst nicht genügend erforsch-
ten Fäden so tief verstrickt in dem Prozeß der Selbstzersetzung
der Scholastik, wie er sich im 15. Jahrhundert auswirkt, daß man
gar nicht einmal das Eigeninteresse, das jede Epoche menschlichen
Denkens für sich in Anspruch nehmen darf, anzurufen braucht,
um die geschichtliche Betrachtung dieser Dinge zu rechtfertigen.
Insbesondere wird die Geschichte einer deutschen Universität
im 14. und 15. Jahrhundert, die mehr sein will, als eine Zusammen-
stellung statutarischer Bestimmungen und eine Aufzählung von
Gelehrtennamen und Büchern, nicht umhin können, sich mit den
Problemen der Spätscholastik intensiv zu beschäftigen. Schon
Prantl1 hat es ausgesprochen, daß eine solche Darstellung n'cht
um die Beantwortung der Frage herumkomme, wie denn der
Gegensatz der via moderna und via anliqua von innen her zu er-
stehen sei. Mir lag fast als erste Pflicht auf, mich in diese Fragen
zu versenken.
Soviel ich sehe, ist seit Prantl trotz dessen Mahnung überaus
wenig geschehen, um die spätscholastischen Schulrichtungen an
der Quelle zu studieren. Prantl selbst hielt sich an die Drucke
älterer scholastischer Werke, die das späte 15. und angehende
16. Jahrhundert nachträglich veröffentlicht hat, die er — wie ich
mehrfach an den von ihm benutzten Exemplaren feststellen konnte
- mit erstaunlicher Gründlichkeit verarbeitete. Immerhin ist die
Auswahl und Formgebung der Werke, die man um 1500 druckte
insbesondere in den parteiischen Titelanpreisungen —-, nicht
immer unabhängig von den kleinlichen Gesichtspunkten des all-
mählich in Plattheiten versandenden Streites, wie er zurzeit der
Drucklegung bestand, und so hat Prantl selbst eine Ergänzung
seiner Forschungen verlangt. Spätere Bearbeiter indessen, soweit
sie überhaupt eigene Quellenstudien unternahmen, hielten sich
meist an die leichter zugänglichen Universitätsakten, einzelne
Streitschriften, biographische Notizen und Buchtitel, um danach
ihre Auffassung der Sachlage zu konstruieren. Überraschend wenig
sind die deutschen Scholastiker in ihren Originalwerken aufgesucht
1 IV, 185, N. 61
des 16. Jahrhunderts beurteilen will, muß zuvor die Frage
beantworten können, bis zu welchem Grade die Reformer über-
haupt imstande waren, den scholastischen Lehrbetrieb durch
Besseres zu ersetzen. Aber darüber hinaus ruhen die Wurzeln des
modernen Denkens mit feinen, noch längst nicht genügend erforsch-
ten Fäden so tief verstrickt in dem Prozeß der Selbstzersetzung
der Scholastik, wie er sich im 15. Jahrhundert auswirkt, daß man
gar nicht einmal das Eigeninteresse, das jede Epoche menschlichen
Denkens für sich in Anspruch nehmen darf, anzurufen braucht,
um die geschichtliche Betrachtung dieser Dinge zu rechtfertigen.
Insbesondere wird die Geschichte einer deutschen Universität
im 14. und 15. Jahrhundert, die mehr sein will, als eine Zusammen-
stellung statutarischer Bestimmungen und eine Aufzählung von
Gelehrtennamen und Büchern, nicht umhin können, sich mit den
Problemen der Spätscholastik intensiv zu beschäftigen. Schon
Prantl1 hat es ausgesprochen, daß eine solche Darstellung n'cht
um die Beantwortung der Frage herumkomme, wie denn der
Gegensatz der via moderna und via anliqua von innen her zu er-
stehen sei. Mir lag fast als erste Pflicht auf, mich in diese Fragen
zu versenken.
Soviel ich sehe, ist seit Prantl trotz dessen Mahnung überaus
wenig geschehen, um die spätscholastischen Schulrichtungen an
der Quelle zu studieren. Prantl selbst hielt sich an die Drucke
älterer scholastischer Werke, die das späte 15. und angehende
16. Jahrhundert nachträglich veröffentlicht hat, die er — wie ich
mehrfach an den von ihm benutzten Exemplaren feststellen konnte
- mit erstaunlicher Gründlichkeit verarbeitete. Immerhin ist die
Auswahl und Formgebung der Werke, die man um 1500 druckte
insbesondere in den parteiischen Titelanpreisungen —-, nicht
immer unabhängig von den kleinlichen Gesichtspunkten des all-
mählich in Plattheiten versandenden Streites, wie er zurzeit der
Drucklegung bestand, und so hat Prantl selbst eine Ergänzung
seiner Forschungen verlangt. Spätere Bearbeiter indessen, soweit
sie überhaupt eigene Quellenstudien unternahmen, hielten sich
meist an die leichter zugänglichen Universitätsakten, einzelne
Streitschriften, biographische Notizen und Buchtitel, um danach
ihre Auffassung der Sachlage zu konstruieren. Überraschend wenig
sind die deutschen Scholastiker in ihren Originalwerken aufgesucht
1 IV, 185, N. 61