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Studien zur Spätscholastik. I.

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ihrer Habe beraubt würden1. Zur entscheidenden Krisis aber
führte auch jetzt wieder der Streit um die Promotionen. Der
von Clemens VIT. im Juli 1381 eingesetzte, übrigens persönlich
unwürdige Kanzler von Notredame Johannes Blanchart2 hatte
apostolischen Auftrag, keinen Urbanisten zur Promotion zuzu-
lassen, und die Deutschen weigerten sich infolgedessen ihrer-
seits, die von ihm Promovierten anzuerkennen3. Dieser Kampf
war umso gefährlicher, als gleichzeitig die Kurie von Avignon den
urbanistisch gesinnten Kanzler von St. Genovefa absetzen und
durch einen ihrer Anhänger ersetzen ließ. Der Versuch der Deut-
schen, trotz dieses Eingriffs unter ihrem früheren Kanzler Prü-
fungen und Promotionen abzuhalten, scheiterte ungeachtet der
Elnterstützung durch Pikarden und Normannen (die anscheinend
durch die Ungewöhnlichkeit des Verfahrens aufgebracht waren).
Auf Beschwerde der gallischen Nation verurteilte das Pariser
Parlament im Juli 1382 kostenpflichtig die obstruierenden Nati-
onen4. Damit war den Anhängern des römischen Papstes jede
Möglichkeit zur Promotion in Paris genommen. Eine ungeheure
Erregung der Deutschen war die Folge; mit Mühe mußten die
Scholaren von blutigen Gewalttätigkeiten gegen die Magister der
französischen Nation zurückgehalten werden. Schon seit Beginn
des Schismas hatten dauernd einzelne deutsche Magister die Hoch-
schule verlassen. Aus dem Jahre 1381 hören wir von dem Plane
König Wenzels, mit Hilfe der Vertriebenen in Prag eine Art
Gegenuniversität zu begründen5. Im folgenden Jahre kam eine
solche Gegengründung wirklich zustande: in Wien, und nicht
weniger als neun Pariser Lehrer siedelten sogleich dorthin über.
Die große Auswanderung der Deutschen erreichte jetzt ihren Höhe-
punkt. Im September 1382 weist die Aufzählung der Regenten
der natio Anglicana fast lauter neue Namen auf6. Begreiflich!
denn die Atmosphäre wurde seit dem Spruch des Parlamentes
1 Auct. I, 654.
2 Die Darstellung von Hartwig I 49 über ihn ist in allen Punkten nach
Chart. III, insbesondere p. 340, zu berichtigen.
3 Chart. III, 1461, N.; Auct. I, 618-21.
4 Auct. I, 614 — 19, 624. Chart. III nr. 1468.
5 Chart. III, nr. 1642 nach Höfler, Hus.-Ygl. auch Auct. I, 659 N. 5,
wo Denifle seine eigene frühere Darstellung (Universitäten I 613 ff.) still-
schweigend antiquiert. Neue Quellen für das allmähliche Eintreffen der Ma-
gister in Wien 1379 — 82 hat K. Schrauf, p. 975 ff. erschlossen.
6 Auct. I, 625.
 
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