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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0037
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Studien zur Spätscholastik. I.

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führende Rolle spielte. Beinahe jede Seite der Universitätsakten
legt Zeugnis davon ab. In der allmählichen, aus praktischen Be-
dürfnissen erwachsenden Ausbildung statutarischer Bestimmungen
war sein Einfluß sehr bedeutend; Vertrauensposten, die man ihm
übertrug1, Geldvorschüsse, die der wohlhabende Stiftsherr und
kurfürstliche Rat mehrfach der Universität leistete2, erinnern an
ähnliche Züge der Pariser Jahre; daß man es auch in Heidelberg
bei den gelehrten Geschäften nicht an tüchtigem Zutrunk fehlen
ließ, zeigen die Promotionsbestimmungen der Fakultäten und die
Abrechnungen des Rektors3. Auch die von Paris aus gesammelten
Erfahrungen an der Kurie konnte Marsilius zugunsten der Heidel-
berger Kollegen verwerten: als Nuntius überbrachte er 1389/90 den
Rotulus der Universität zusammen mit Konrad von Soltau nach
Rom zur Thronbesteigung Bonifaz’ IX4. Für unsern biographischen
Zweck indessen ist wichtiger als alles dies die Betrachtung seiner
wissenschaftlichen Tätigkeit.
Das Dunkel, in dem diese bisher lag, beginnt sich ein wenig
zu lichten. Über den Inhalt seiner Pariser Lehrtätigkeit läßt sich
nur soviel mit Bestimmtheit sagen, daß er außer den traditionellen
logischen auch physikalische Vorlesungen gehalten hat5; seine
kurzen logischen und physikalischen Handbücher (abbreviationes),
deren Verwendung im Heidelberger Unterricht später traditionell
1 Beispiele: Treuhänder des Gelnhausenschen Nachlasses: U. B. 1,
nr. 28, des Kurfürsten: U. B. I, nr. 29, der Universität: A. u. 1, 61, Toepke I
677; U. B. I, p. 59 (notarius).
2 Beispiele: U. B. II, 40, Toepke I, 27, 38; U, B. II, 77, Toepke I, 676.
3 Abrechnung d. M. v. I.: Toepke I, 53, nr. 3.
4 A. f. a. I, Bl. 205 ; Hautz 1,176, II, 358 ; Toepke I, 38. Die Anwesenheit
des M. v. 1. in Rom 1390 ergibt sich aus einer Notiz auf cod. 9 des Stettiner
Marienstiftsgymnasiums Bl. 519 von der Hand des Prager Magisters Berserus
Zalow: Hec audivi a mag. Marsilio de Ingwen de Reno et hoc Rome in loco
consistoriali pape. Die Handschrift ist nach Bl. 518V abgeschlossen in Rom
1390, oct. 15. S. Lemcke, p. 23. Berserus Zalow ist ein Schüler Konrad
Soltaus, vgl. Mon. Hist. Un. Prag. I, 185. Leider war die Verwaltung der ge-
nannten Schulbibliothek nicht zu bewegen, mir den betr. Codex zugänglich
zu machen, um zunächst einmal den Inhalt der Mitteilung des M. v. I. fest-
zustellen. — Den Aufenthalt Konrad von Soltaus in Rom bezeugt eine Notiz
auf der Rückseite des Originals der Bulle von 1389, Nov. 9. (Diese Datierung
auf den Tag der coronatio Bonifaz’ IX. ist natürlich Rückdatierung!): detur
hec hulla magistro Conrado universitatis procuratori in audienciis curie Romane
moranti (von Winkelmann U. B. I, p. 48 unvollständig entziffert).
5 Die Vorlage zu Druck nr. 10 war spätestens 1385 abgeschlossen (s. d.
Katalog der Schriften). Druck nr. 13 Bl. 2, a verspricht den ,,in Paris
 
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