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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 4. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 1: Marsilius von Inghen und die okkamistische Schule in Deutschland — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37794#0095
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Studien zur Spätscholastik. I.

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Der Fortschritt der logischen Theorie hatte sogleich konkrete
Ergebnisse zur Folge. Die Anwendung quantitativer Bestimmungen
auf die Untersuchung qualitativer Verhältnisse wurde schon von
den Pariser und OxfOrder Scholastikern des 14. Jahrhunderts an-
gebahnt. Sie zeigt sich besonders fruchtbar auf dem Gebiete der
Bewegungslehre, indem man die Begriffe der Gleichförmigkeit, des
Wechsels, der Ausdehnung usw. der lokalen Bewegung auf die
Qualitätsveränderungen übertrug und umgekehrt den Begriff der
Intensität auf die Bestimmung der Geschwindigkeit anwendete.
Zu solchen Übertragungen mußte schon die aristotelische Über-
lieferung anregen, die nicht nur die lokale Bewegung, sondern
ebenso die generatio, augmentatio und alteratio unter dem Gesamt-
begriff des motus zusammenfaßte. Auf dem Gebiete der Dynamik,
Kinematik und Statik erzielte deshalb die logisch-mathe-
matische Forschungsmethode der Spätscholastik ihre besten Er-
folge. Die Literatur dieser Disziplinen reicht über den Umkreis
der aristotelischen Universitätswissenschaft noch hinaus: eine
eigene scientia de ponderibus entwickelte sich im Anschluß an spät-
antike und arabische mathematische Traditionen, die besonders für
statische und dynamische Probleme zu außerordentlich bedeut-
samen Ergebnissen gelangte* 1. Marsilius scheint sie gelegentlich
benutzt zu haben2. Aus der Fülle der in Duhems Darstellung*
dieser Gegenstände behandelten Fragen heben wir nur diejenigen
heraus, die auch in den Schriften unseres Philosophen eine Rolle
spielen. Ich zweifle nicht, daß ein Studium der handschriftlichen
Abhandlungen de celo et mundo und de sphera gerade für diesen
Fragenkomplex wesentliche Ergänzungen des bisher Bekannten
bringen würde. Fraglich ist dagegen, ob sich der Gesamteindruck
der physikalischen Schriften dadurch ändern würde: auch in der
Dynamik erscheint Marsilius vertraut mit den wissenschaftlichen
Fortschritten seiner Schule und seiner Zeit, aber eigentlich nirgends
als schöpferischer Geist von wesentlicher selbständiger Bedeutung;
freilich sind die naturphilosophischen Bestrebungen seiner Schule
noch nicht so gründlich durchforscht, daß sich ein letztes Urteil
sprechen ließe.
nicht die fertige Einzelsubstanz, sondern z. B. bei den Körpern ihre Materie,
gehöre; damit ist wohl der konkrete Träger der Formen gemeint; andrerseits
wird auch unitas numeralis formae gefordert.
1 Duhem I, 259 ff.
2 Duhem I, 260: Zitat aus dem großen Physikkommentar, mir nicht
zugänglich.
 
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