106
Gerhard Ritter:
jede zweite geltend gemacht. Der Thomismus hatte dementspre-
chend sich bemüht, die in der Einmaligkeit des Universums liegende
Begrenztheit der Schöpfung mit der Allmacht Gottes in Einklang
zu bringen. Die Pariser Artikel verdammten diese Sätze als
ketzerisch, und in ihrer Folge behauptete die moderne Schule,
Gottes Allmacht könne auch eine zweite Erde oder ein zweites
Universum schaffen1. Das geschah nur teilweise mit rein theolo-
gischen Motiven. Buridan und Albert von Sachsen bemühten sich,
die Pluralität der Welten naturwissenschaftlich wenigstens begreif-
lich zu machen. So erklärte Albert, eine Mehrheit von Welten sei,
rein physikalisch betrachtet, nur möglich bei konzentrischer Ge-
staltung, indem alle ein gemeinsames Schwergewichtszentrum be-
säßen. Von diesen Überlegungen findet sich bei Marsilius nichts
an der Stelle, an der er diese Frage behandelt2. Er begnügt sich
durchaus mit der Berufung auf den hier stark betonten Grundsatz
der schrankenlosen Allmacht Gottes. Die Argumentation des Ari-
stoteles gegen die Annahme der realen Existenz eines spatium
außerhalb der begrenzten Welt hält er trotzdem ganz unbefangen
fest, denn wenn auch unsere Welt notwendig begrenzt ist, so kann
doch Gott, wenn er will, einen Raum für die Unterbringung einer
zweiten Welt von unendlicher Ausdehnung (im synkategoreu-
matisehen Sinne) schaffen3.
Um so ausgiebiger wird die Bedeutung der Schwungkraft für
die Bewegung eines geschleuderten Körpers erörtert. Aristoteles
hatte auch diese Bewegung seltsamerweise auf den Antrieb der
umgebenden Luft zurückgeführt, um die Berührung des Bewegers
mit dem Bewegten festhalten zu können. Wenn nun auch Mar-
silius, wie wir gesehen haben, an dieser Berührungstheorie weiter-
baut, so ist er sich doch sehr wohl bewußt, daß seine Erklärung
mit der des phiiosophus nicht zu vereinigen ist4. Er stellt die Theorie
1 Ibid. II, 59-82, 411 ff.
2 üb. sent. I, qu. 43, art. 2, concl. 2, corell., Bl. 184, b. Deus potest pro-
chicere Universum specie specialissirna distinctum ab isto universo.
3 abbrev. phys. Bl. 22v: Extra celum de facto nullum est spacium. In-
finitum spacium posset esse extra celum tenendo infinitum syncathegoreumatice.
Die Möglichkeit einer Schöpfung des unendlichen spacium,,in acta“ wird gleich
darauf abgelehnt.
4 abbrev. phys. Bi. 80, b: Et si dicatur, quod hoc est contra, philosophum,
dicetur, quod non sum astrictus teuere eum, ubi expresse dictum suum dissonum
fuerit veritati vel dicatur, quod hoc ponit incidentaliter more aliorum et non
secundum opinionem propriam.
Gerhard Ritter:
jede zweite geltend gemacht. Der Thomismus hatte dementspre-
chend sich bemüht, die in der Einmaligkeit des Universums liegende
Begrenztheit der Schöpfung mit der Allmacht Gottes in Einklang
zu bringen. Die Pariser Artikel verdammten diese Sätze als
ketzerisch, und in ihrer Folge behauptete die moderne Schule,
Gottes Allmacht könne auch eine zweite Erde oder ein zweites
Universum schaffen1. Das geschah nur teilweise mit rein theolo-
gischen Motiven. Buridan und Albert von Sachsen bemühten sich,
die Pluralität der Welten naturwissenschaftlich wenigstens begreif-
lich zu machen. So erklärte Albert, eine Mehrheit von Welten sei,
rein physikalisch betrachtet, nur möglich bei konzentrischer Ge-
staltung, indem alle ein gemeinsames Schwergewichtszentrum be-
säßen. Von diesen Überlegungen findet sich bei Marsilius nichts
an der Stelle, an der er diese Frage behandelt2. Er begnügt sich
durchaus mit der Berufung auf den hier stark betonten Grundsatz
der schrankenlosen Allmacht Gottes. Die Argumentation des Ari-
stoteles gegen die Annahme der realen Existenz eines spatium
außerhalb der begrenzten Welt hält er trotzdem ganz unbefangen
fest, denn wenn auch unsere Welt notwendig begrenzt ist, so kann
doch Gott, wenn er will, einen Raum für die Unterbringung einer
zweiten Welt von unendlicher Ausdehnung (im synkategoreu-
matisehen Sinne) schaffen3.
Um so ausgiebiger wird die Bedeutung der Schwungkraft für
die Bewegung eines geschleuderten Körpers erörtert. Aristoteles
hatte auch diese Bewegung seltsamerweise auf den Antrieb der
umgebenden Luft zurückgeführt, um die Berührung des Bewegers
mit dem Bewegten festhalten zu können. Wenn nun auch Mar-
silius, wie wir gesehen haben, an dieser Berührungstheorie weiter-
baut, so ist er sich doch sehr wohl bewußt, daß seine Erklärung
mit der des phiiosophus nicht zu vereinigen ist4. Er stellt die Theorie
1 Ibid. II, 59-82, 411 ff.
2 üb. sent. I, qu. 43, art. 2, concl. 2, corell., Bl. 184, b. Deus potest pro-
chicere Universum specie specialissirna distinctum ab isto universo.
3 abbrev. phys. Bl. 22v: Extra celum de facto nullum est spacium. In-
finitum spacium posset esse extra celum tenendo infinitum syncathegoreumatice.
Die Möglichkeit einer Schöpfung des unendlichen spacium,,in acta“ wird gleich
darauf abgelehnt.
4 abbrev. phys. Bi. 80, b: Et si dicatur, quod hoc est contra, philosophum,
dicetur, quod non sum astrictus teuere eum, ubi expresse dictum suum dissonum
fuerit veritati vel dicatur, quod hoc ponit incidentaliter more aliorum et non
secundum opinionem propriam.