IV. TEIL.
ANLAGEN.
1. K i r c h e apolitische Denkschrift des M a r s i 1 i u s von
I n g h e n von 1391.
Die nachfolgende Denkschrift ist bereits teilweise gedruckt von
IJENIFFE-Chatelain im Chartularium univ.Paris. t.III, p. 587f., nr.1648,
jedoch nur in den die Universität Paris betreffenden Teilen; ich mache
die bisher ungedruckten Teile durch Fußnoten kenntlich.
Ihr Zweck ergibt sich aus ihrer nahen Beziehung zu einem undatier-
ten Sendschreiben Heinrichs von Langenstein an Kurfürst Ruprecht
von der Pfalz, auf das die (einzige bisher bekannte) Wolfenbütteler Ab-
schrift unseres Stückes in der Überschrift Bezug nimmt (,,occasione
precedentis epistole“). Das Schreiben Langensteins (in dem genannten
Wolfenbütteler Sammelband Bl. 173v—179v) befand sich auch im
Besitz des Marsilius von Inghen (s. Toepke I 679, nr. 422) — eine Tat-
sache, durch die sich die Wahrscheinlichkeit der Zusammengehörigkeit
beider Stücke noch erhöht. Es ist gedruckt von Sommerfeldt, Zeit-
schrift f. Gesell, des Oberrheins, N. F. 22 (1907), S. 291 ff.
Langensteins Schreiben ist eines der zahlreichen Sendschreiben an
Fürsten und Prälaten Deutschlands, mit denen dieser eifrige Kirchen-
politiker seit dem Ausbruch des Schismas die politische Weit für den
Gedanken eines Konzils zu gewinnen suchte — gleich lebhaft im natio-
nalen wie im kirchlichen Pathos. Er ist entrüstet, daß die großen Herren
sich ohne kanonische Entscheidung der kritischen Rechtsfrage vor-
schnell damit zufrieden geben, an ihrem römischen Papste festzuhalten
Warum hat man nicht zuvor wenigstens die Bischöfe zu einem Konvent
berufen? Warum ziehen die deutschen Fürsten nicht heilige und auf-
richtige Männer der Kirche, sondern nur ihre weltliche Umgebung
zu Rate ? Warum läßt man nicht die Streitpunkte der beiden Partei-
lager durch Beauftragte von beiden Seiten gemeinsam besprechen und
klären ? Wenn denn Frankreichs Könige durch Eigensinn und Eigen-
nutz die Kirche schmählich zerstören, so mögen Deutschlands Fürsten,
der tapfere Pfälzer voran, sich erheben, den alten Ruhm deutscher Tapfer-
keit wahr machen und für das große Werk der Kircheneinigung sorgen!
Ist es nicht ein unerhörtes Ereignis, daß das Licht der Wissenschaft
ANLAGEN.
1. K i r c h e apolitische Denkschrift des M a r s i 1 i u s von
I n g h e n von 1391.
Die nachfolgende Denkschrift ist bereits teilweise gedruckt von
IJENIFFE-Chatelain im Chartularium univ.Paris. t.III, p. 587f., nr.1648,
jedoch nur in den die Universität Paris betreffenden Teilen; ich mache
die bisher ungedruckten Teile durch Fußnoten kenntlich.
Ihr Zweck ergibt sich aus ihrer nahen Beziehung zu einem undatier-
ten Sendschreiben Heinrichs von Langenstein an Kurfürst Ruprecht
von der Pfalz, auf das die (einzige bisher bekannte) Wolfenbütteler Ab-
schrift unseres Stückes in der Überschrift Bezug nimmt (,,occasione
precedentis epistole“). Das Schreiben Langensteins (in dem genannten
Wolfenbütteler Sammelband Bl. 173v—179v) befand sich auch im
Besitz des Marsilius von Inghen (s. Toepke I 679, nr. 422) — eine Tat-
sache, durch die sich die Wahrscheinlichkeit der Zusammengehörigkeit
beider Stücke noch erhöht. Es ist gedruckt von Sommerfeldt, Zeit-
schrift f. Gesell, des Oberrheins, N. F. 22 (1907), S. 291 ff.
Langensteins Schreiben ist eines der zahlreichen Sendschreiben an
Fürsten und Prälaten Deutschlands, mit denen dieser eifrige Kirchen-
politiker seit dem Ausbruch des Schismas die politische Weit für den
Gedanken eines Konzils zu gewinnen suchte — gleich lebhaft im natio-
nalen wie im kirchlichen Pathos. Er ist entrüstet, daß die großen Herren
sich ohne kanonische Entscheidung der kritischen Rechtsfrage vor-
schnell damit zufrieden geben, an ihrem römischen Papste festzuhalten
Warum hat man nicht zuvor wenigstens die Bischöfe zu einem Konvent
berufen? Warum ziehen die deutschen Fürsten nicht heilige und auf-
richtige Männer der Kirche, sondern nur ihre weltliche Umgebung
zu Rate ? Warum läßt man nicht die Streitpunkte der beiden Partei-
lager durch Beauftragte von beiden Seiten gemeinsam besprechen und
klären ? Wenn denn Frankreichs Könige durch Eigensinn und Eigen-
nutz die Kirche schmählich zerstören, so mögen Deutschlands Fürsten,
der tapfere Pfälzer voran, sich erheben, den alten Ruhm deutscher Tapfer-
keit wahr machen und für das große Werk der Kircheneinigung sorgen!
Ist es nicht ein unerhörtes Ereignis, daß das Licht der Wissenschaft