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Gerhard Ritter: Studien zur Spätscholastik. I.

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jetzt von den Franken gewichen und zu den Deutschen gekommen ist,
die vorher im Finstern saßen und jetzt bereits vier blühende Universi-
täten besitzen ? Mögen die deutschen Fürsten den großen Moment nicht
versäumen, und, gestützt auf den Ruhm und die Weisheit ihrer Hoch-
schulen, die Berufung eines Konzils durchsetzen, damit endlich der
reißende Wolf entlarvt werde, der die Herde des Herrn verstört!
Man begreift ohne weiteres, daß der Empfänger dieses Schreibens
das Bedürfnis fühlte, ein Gutachten von der kompetenten Heidelberger
Autorität, Marsilius von Inghen, einzufordern. Ich vermute, daß die
untenstehende Denkschrift unmittelbar für den Kurfürsten bestimmt war.
Der „magister meus“ des ersten Satzes wäre dann Heinrich von
Langenstein selber, des Marsilius alter Kollege; der Autor beruft sich
dem Kurfürsten gegenüber auf diese Bekanntschaft. Langenstein hatte
(S. 306 des Abdrucks) das gegenwärtige Schisma mit der Kirchen-
spaltung von 1130 verglichen; damals hatte Gott seinen Willen kund
getan, indem er die hartnäckigsten Anhänger der falschen Partei hinweg-
raffte. Ist es nicht auffallend, daß man diesmal nichts derartiges gehört
hat ? Sollte das nicht ein Zeichen sein, daß die Rechtsfrage doch nicht
so einfach liegt, wie die Anhänger Urbans VI. unbesehen annehmen?
Ja sind nicht sogar mehrere von den (durch Urban 1378 ernannten)
„neuen“ Kardinalen eines unvermuteten Todes gestorben, während die
alten (jetzt clementistischen) noch alle leben ? Die Absicht ist deutlich:
des Kurfürsten innere Sicherheit gegenüber der urbanistischen Sache
soll erschüttert werden. Hier setzt — begreiflich! - der Theologe
Marsilius mit seinen Gegenargumenten ein. Langenstein vermißt „Zei-
chen“ für die Rechtmäßigkeit Urbans? Gut, er soll sie haben! Und
nun wird zusammengetragen, was sich aus der Kirchengeschichte des
letzten Jahrzehnts nur immer anführen läßt, um Gottes Absicht als
Begünstigung Urbans auszudeuten. Die auch hier auffallende klare
schematische Gliederung des Stoffes kennen wir schon aus den Schriften
unseres Autors. Die Fülle des historischen Details bringt uns seine
italienischen Reisen von 1378 und 1389/90 in Erinnerung.
Der hier vermutete Zusammenhang erscheint mir so einleuchtend,
daß ich auf Sommerfeldts nicht näher begründete Hypothese, das
Schriftstück sei für einen befreundeten Magister, vielleicht gar Langen-
stein selber bestimmt gewesen (a. a. 0. 296); nicht eingehe. Auch Thor-
beckes Inhaltsangabe (Univ. H. 9), Marsilius setze hier die Gründe für
sein eigenes Handeln während des Schismas auseinander, beruht auf
einem Mißverständnis; eine derartige Rechtfertigung hatte M. v. I.
in Heidelberg nicht nötig.
Die Datierung ergibt sich ziemlich eindeutig aus dem Text der
Denkschrift : am Schluß des Unterteils I 1 ist von dem „presens jubi-
leum“ die Rede. Damit kann nur das große Kirchenjubiläum von 1390
 
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