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O. Gradenwitz:
Abend des 14. Wenn Graf Kalnoky, der natürlich sogleich Mit-
teilung von dem Gesuch bekam, noch am 14. Vortrag hielt und
Rückbescheid gab — und beide Herren hatten es eilig —, so konnte
die Zusage durch die Botschaft allenfalls noch abgehen, bevor das
Allerhöchste Schreiben in Wirksamkeit trat, über dessen Inhalt der
Botschafter im Dunkeln blieb, sonst hätte er wohl das Transmisso-
riale noch zurückgezogen bis zur Rückkehr Kälnokys. Aber gerade
am 14. reiste Graf Kalnoky nach Mähren, wo seine Familie begütert
war, und kehrte erst am 15. zurück. — Er empfing also das Gesuch,
das man bis zu seiner Rückkehr im Ministerium liegen ließ, erst
am 15. und beantwortete es im Sinne des Antwortschreibens, das
KaiserFranz Joseph anKaiserWilhelm gerichtet(Nr. 12,Anhang Nr.3).
Wie groß auch in der ganzen Welt das Befremden war, als diese Tat-
sache von Bismarcks Seite am 20. Juni in der Münchener Allge-
meinen Zeitung veröffentlicht wurde, so war doch gewiß niemandes
Erstaunen größer als das des Prinzen Reuß am 16. gewesen war.
Wie er dem Kanzler meldet, hatte am 13. der Minister ihm gesagt,
Franz Joseph werde den Fürsten Bismarck voraussichtlich emp-
fangen (Nr. 95), am 16. teilt Kalnoky ihm mit, das Nachsuchen sei ab-
schlägig beschieden!(Nr. 12h) Interim aliquid factum est. Noch am 14.
abends wurde dem Botschafter das Kaiserliche eigenhändige Schrei-
ben ausgehändigt, „ohne in einen Ministerialerlaß eingeschlossen zu
sein“ (Nr. 36“), d. h., ohne eine Andeutung von dessen Tragweite,
während dem Grafen Eulenburg durch den Frhrn. v. Marschall
eine solche über den als in Aussicht genommen geltenden Brief am
13. gemacht worden war. Der Botschafter war also im Dunkel
darüber gehalten worden, daß die Beeinflussung, deren Durch-
schimmern durch die Instruktion vom 9. eine entschiedene Ab-
leugnung zur Folge gehabt hatte, nun in der Form einer aller-
höchsten Bitte geschehen war1. — Freilich war es peinlich, ihm
dies einzugestehen! — Aber ebenso mußte es wie eine Bombe in
Berlin einschlagen, als dort der österreichisch-ungarische Geschäfts-
träger Abschrift des Refusbescheids übergab, und dadurch aller-
erst das Transmissoriale des Botschafters bekannt wurde: denn
1 Man vergleiche, was Bismarck an Graf Robert v. d. Goltz schreibt:
„und doch muß ich als Minister, wenn das Staatsinteresse nicht leiden soll,
gegen den Botschafter in Paris rückhaltlos offen bis zum letzten Wort meiner
Politik sein.“ (G. u. E. 2, 7.) — Daß Prinz Reuß über den Kaiserbrief im
dunklen blieb, der dem Grafen Eulenburg andeutungsweise bekannt war, stimmt
zu den Praktiken, die dem Herrn v. Holstein bei Eckardtstein Bd. 2 zu-
geschrieben werden.
O. Gradenwitz:
Abend des 14. Wenn Graf Kalnoky, der natürlich sogleich Mit-
teilung von dem Gesuch bekam, noch am 14. Vortrag hielt und
Rückbescheid gab — und beide Herren hatten es eilig —, so konnte
die Zusage durch die Botschaft allenfalls noch abgehen, bevor das
Allerhöchste Schreiben in Wirksamkeit trat, über dessen Inhalt der
Botschafter im Dunkeln blieb, sonst hätte er wohl das Transmisso-
riale noch zurückgezogen bis zur Rückkehr Kälnokys. Aber gerade
am 14. reiste Graf Kalnoky nach Mähren, wo seine Familie begütert
war, und kehrte erst am 15. zurück. — Er empfing also das Gesuch,
das man bis zu seiner Rückkehr im Ministerium liegen ließ, erst
am 15. und beantwortete es im Sinne des Antwortschreibens, das
KaiserFranz Joseph anKaiserWilhelm gerichtet(Nr. 12,Anhang Nr.3).
Wie groß auch in der ganzen Welt das Befremden war, als diese Tat-
sache von Bismarcks Seite am 20. Juni in der Münchener Allge-
meinen Zeitung veröffentlicht wurde, so war doch gewiß niemandes
Erstaunen größer als das des Prinzen Reuß am 16. gewesen war.
Wie er dem Kanzler meldet, hatte am 13. der Minister ihm gesagt,
Franz Joseph werde den Fürsten Bismarck voraussichtlich emp-
fangen (Nr. 95), am 16. teilt Kalnoky ihm mit, das Nachsuchen sei ab-
schlägig beschieden!(Nr. 12h) Interim aliquid factum est. Noch am 14.
abends wurde dem Botschafter das Kaiserliche eigenhändige Schrei-
ben ausgehändigt, „ohne in einen Ministerialerlaß eingeschlossen zu
sein“ (Nr. 36“), d. h., ohne eine Andeutung von dessen Tragweite,
während dem Grafen Eulenburg durch den Frhrn. v. Marschall
eine solche über den als in Aussicht genommen geltenden Brief am
13. gemacht worden war. Der Botschafter war also im Dunkel
darüber gehalten worden, daß die Beeinflussung, deren Durch-
schimmern durch die Instruktion vom 9. eine entschiedene Ab-
leugnung zur Folge gehabt hatte, nun in der Form einer aller-
höchsten Bitte geschehen war1. — Freilich war es peinlich, ihm
dies einzugestehen! — Aber ebenso mußte es wie eine Bombe in
Berlin einschlagen, als dort der österreichisch-ungarische Geschäfts-
träger Abschrift des Refusbescheids übergab, und dadurch aller-
erst das Transmissoriale des Botschafters bekannt wurde: denn
1 Man vergleiche, was Bismarck an Graf Robert v. d. Goltz schreibt:
„und doch muß ich als Minister, wenn das Staatsinteresse nicht leiden soll,
gegen den Botschafter in Paris rückhaltlos offen bis zum letzten Wort meiner
Politik sein.“ (G. u. E. 2, 7.) — Daß Prinz Reuß über den Kaiserbrief im
dunklen blieb, der dem Grafen Eulenburg andeutungsweise bekannt war, stimmt
zu den Praktiken, die dem Herrn v. Holstein bei Eckardtstein Bd. 2 zu-
geschrieben werden.