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Gradenwitz, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 6. Abhandlung): Akten über Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37796#0036
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36*

O. Gradenwitz:

verbünden lassen; getrost pochte man auch im Ausland auf den
Zwangskurswert, den eine jede Regierung im Inlande hat, gegen-
über der Ubiquität nnd dem ewigen Metallwert des Genius. — Es
ist die Aufgabe der Politik, die Eintagserfordernisse mit dem ruhigen
Laufe des Schicksals in Einklang zu halten: jene müssen gedreht
und gewendet werden, bis sie diesem sich anpassen; so hat Bismarck
empfunden, als er dem kranken Kaiser Friedrich III. bei der Deko-
rierung Forckenbecks auf dem Umwege der Verdienste um die
Stadt Berlin gehorsamte, so im Falle Schnäbele indem er einen quasi
sauf-conduit, in der Verabredung von Grenzkommissaren sah, so
in der Karolinenfrage und sonst; so hat auch die Sächsische Regie-
rung in dem Reichsgründer den Dresdener Ehrenbürger entdeckt,
um diesem wenigstens von Privaten huldigen zu lassen. „Der Groß-
herzog wich aus“ indem er bei der Kaiserproklamation das Hoch
auf „Kaiser Wilhelm“ ausbrachte; damit hatte er die Situation
gerettet, da er weder den Kaiser, der „Kaiser von Deutsch-
land“ werden wollte, noch die Reichsraison, die den „Deutschen
Kaiser“ forderte, gestört hatte; und Ludwig I. von Bayern war
wohlberaten, als man ihm vorschlug, doch dem Sprachreformator
Luther einen Platz in seiner Walhalla zu gönnen. Die staats-
männische Aufgabe war, 1892, nicht, eine Audienz in Wien zu hinter-
treiben, sondern sie, im Sinne des Berliner Regiments, zu entgiften,
und dafür bietet der Marschallsche Kaiserbrief allerdings einen
Anfang.

B. Die Königsresidenzen.
Da der Fürst zwei Residenzen zum Ruhequartier gewählt, kam
auch dort eine Audienz in Betracht. Die Instruktion an den Prinzen
Reuß war beiden preußischen Gesandten mitgeteilt (Nr. 5).
Ganz anders als in Wien stellt sich hier die preußische Regie-
rung zur Frage: hier residieren Bundesfürsten, freilich der erste
und zweite nach dem Kaiser, und doch eben Landesherren, die
gewisse Rechte an den König von Preußen in dessen Eigenschaft
als deutscher Kaiser abgetreten haben; sie sind staatsrechtlich,
nicht bloß völkerrechtlich mit dem Kaiser verknüpft, und ihr Land
ist nicht Ausland für diesen.
So hat Frlir. v. Marschall dess kein Hehl, daß in München
offen gegenGewährung einerAudienz aufzutreten sei(Nr.46^),und der
Gesandte geht soweit, dem Bayerischen Minister des Auswärtigen
zu sagen, daß ein Deutscher Bundesfürst Bismarck gar nicht emp-
 
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