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O. Gradenwitz:
Wiener, wohl aber durch die Berliner Bureaux. In der Tat ist es auf-
fallend,daß der Prinz noch nicht einmal,als er denFehlschlagdesNach-
suchens meldete, von seiner Vermittlung berichtete; durchschla-
gend dafür, daß auch er eine dienstliche Unregelmäßigkeit — von
einem Ziel geleitet oder nicht — begangen, ist, daß in Bismarcks
Organen dreimal es als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß
der Prinz in Berlin angefragt habe, wie er sich auf das Nachsuchen
zu verhalten habe: denn daß dies trotz anderen Wissens ironisch
suggeriert wurde, ist nicht anzunehmen; hielten Bismarcks Organe
es aber wirklich für selbstverständlich, so war es auch des Prinzen
Pflicht gewesen, und der Tadel ist begründet. Der Prinz gesteht
dies unumwunden zu, indem er zugleich in feiner Weise den Kanzler
daran erinnert1, daß es der Kaiser ist, um dessen Unzufriedenheit
es sich handle, während der Kanzler zwar mitteilt, daß er die Ehre
gehabt, S. M. dem Kaiser den Bericht des Prinzen vorzulesen, aber
die Mißbilligung als seine eigene hinstellt. (Nr. 23). Auch führt er
die Unterlassungssünden seines Chefs diesem vor Augen, und be-
kennt schließlich deutlich, wenn auch mit höflicher Verschleierung,
daß ihm eine Abweisung des Fürsten unritterlich erschienen wäre
(Nr. 294). Der innere Widerwille gegen seine Instruktion hat den
Beauftragten deren tieferen Sinn nicht erkennen lassen; wie weit
das vorliegt, was Bismarck einen „freiwilligen Irrtum“ nennt, bleibe
dahingestellt; — daß es für den Prinzen, nachdem die Sondierung
stattgefunden, hart gewesen wäre, die Vermittlung nunmehr ab-
zulehnen, leuchtet ein — die beßre Lösung für ihn war, die
Audienz schnell durchzubringen.
So hat Bismarcks zweite Handlung, das Nachsuchen vor An-
tritt der Reise, die Gegner nicht minder verwirrt, als seinerzeit
die Sondierung. Man kann sich die Frage vorlegen, ob der Fürst
nicht die Schwierigkeit der Lage, in die er seine Berliner Wider-
sacher versetzte, vor Augen hatte und gerne dadurch steigerte,
daß er den offiziellen Weg für das Nachsuchen wählte. Bei der
Verweigerung der Audienz verlor der Hofmann und Edelmann
mehr als der Politiker. Wer will sagen, was dieser Mann für
möglich hielt, als er das Nachsuchen formte, in dem „trotz der
Kürze der Zeit“ „gnädige Gesinnung, die Seine Majestät mir stets
bewahrt haben“ einen Gegensatz gegen einen anderen Hof andeuten
konnten. Möglich ist der Gedankengang: wenn man die Audienz
1 No. 292; man beachte noch 294: „daß Ew. Excellenz nicht erwünscht
sein würde“ (nicht: S. M.).
O. Gradenwitz:
Wiener, wohl aber durch die Berliner Bureaux. In der Tat ist es auf-
fallend,daß der Prinz noch nicht einmal,als er denFehlschlagdesNach-
suchens meldete, von seiner Vermittlung berichtete; durchschla-
gend dafür, daß auch er eine dienstliche Unregelmäßigkeit — von
einem Ziel geleitet oder nicht — begangen, ist, daß in Bismarcks
Organen dreimal es als selbstverständlich vorausgesetzt wird, daß
der Prinz in Berlin angefragt habe, wie er sich auf das Nachsuchen
zu verhalten habe: denn daß dies trotz anderen Wissens ironisch
suggeriert wurde, ist nicht anzunehmen; hielten Bismarcks Organe
es aber wirklich für selbstverständlich, so war es auch des Prinzen
Pflicht gewesen, und der Tadel ist begründet. Der Prinz gesteht
dies unumwunden zu, indem er zugleich in feiner Weise den Kanzler
daran erinnert1, daß es der Kaiser ist, um dessen Unzufriedenheit
es sich handle, während der Kanzler zwar mitteilt, daß er die Ehre
gehabt, S. M. dem Kaiser den Bericht des Prinzen vorzulesen, aber
die Mißbilligung als seine eigene hinstellt. (Nr. 23). Auch führt er
die Unterlassungssünden seines Chefs diesem vor Augen, und be-
kennt schließlich deutlich, wenn auch mit höflicher Verschleierung,
daß ihm eine Abweisung des Fürsten unritterlich erschienen wäre
(Nr. 294). Der innere Widerwille gegen seine Instruktion hat den
Beauftragten deren tieferen Sinn nicht erkennen lassen; wie weit
das vorliegt, was Bismarck einen „freiwilligen Irrtum“ nennt, bleibe
dahingestellt; — daß es für den Prinzen, nachdem die Sondierung
stattgefunden, hart gewesen wäre, die Vermittlung nunmehr ab-
zulehnen, leuchtet ein — die beßre Lösung für ihn war, die
Audienz schnell durchzubringen.
So hat Bismarcks zweite Handlung, das Nachsuchen vor An-
tritt der Reise, die Gegner nicht minder verwirrt, als seinerzeit
die Sondierung. Man kann sich die Frage vorlegen, ob der Fürst
nicht die Schwierigkeit der Lage, in die er seine Berliner Wider-
sacher versetzte, vor Augen hatte und gerne dadurch steigerte,
daß er den offiziellen Weg für das Nachsuchen wählte. Bei der
Verweigerung der Audienz verlor der Hofmann und Edelmann
mehr als der Politiker. Wer will sagen, was dieser Mann für
möglich hielt, als er das Nachsuchen formte, in dem „trotz der
Kürze der Zeit“ „gnädige Gesinnung, die Seine Majestät mir stets
bewahrt haben“ einen Gegensatz gegen einen anderen Hof andeuten
konnten. Möglich ist der Gedankengang: wenn man die Audienz
1 No. 292; man beachte noch 294: „daß Ew. Excellenz nicht erwünscht
sein würde“ (nicht: S. M.).