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O. Gradenwitz:
keit ,,hob jeden Handschuh auf“. Im dritten Bande steht1, er würde
Herrn vonCaprivi manche Meinungsverschiedenheit eher nachsehen,
als die Zerstörung uralter Bäume2, ähnlich ließ er das deutsche Volk
empfinden, als Caprivi gegen ihn selbst vorging. — Er schleudert
blitzschnell durch die Münchener Allgemeine Zeitung die ihm und
den Seinen angetanen Kränkungen in die Öffentlichkeit, unbe-
kümmert um offiziöse Blätter, die seine Audienzmeldung „taktlos“
nennen3. Er weiß, daß nicht für ihn ein „Pudendum“ vorliegt.
Graf Kälnoky freilich, der aus dem Kaiserbriefe Bismarcks Wort:
„Ach Kälnoky werde ich schon herumkriegen“ kennt und der also
zeigen will, daß dies nicht gelungen ist, sagt dem Prinzen Beuß: zu-
erst nur, der Fürst habe ja öffentlich durchaus nichts anstößiges
gesagt, aber der Drang, öffentlich zu reden, habe ihm, dem Minister^
den Eindruck einer gewissen senilen Schwäche gemacht, die er im
Gespräch nicht bemerkt hätte.(Nr.283) Er wird aber schärfer nach der
Interview in der Neuen Freien Presse: (Nr.302) „Vieles, was der Fürst
gesagt, sei bereits aus seinen Preßorganen bekannt gewesen, Vieles
stände mit der historischen Wahrheit in Gegensatz und sei das, was
man gleich anfangs zu bemerken Gelegenheit hatte, nämlich daß eine
gedächtnislose, senile Geschwätzigkeit leider immer mehr zu tage
trete“.WennderGraf demFürsten gegenüber dasKompliment ablehn-
te, daß die österreichisch-ungarischen Unterhändler bei den Handels-
verträgen geschickter als die deutschenKommissare gewesen(Nr.28‘/),
so war das wiederum seine Pflicht als österreichisch-ungarischer Di-
plomat. Ebenso zeigt er sich als solcher, wenn sein Verhalten in einer
„Correspondenz aus Wiener Gesellschaftskreisen“ richtig geschildert
ist: „die oesterreichische Regierung ist dann alsbald in die Lage ver-
1 Herr v. Caprivi, nicht Graf; also ist diese Anmerkung (zu S. 117 auf
S. 118) noch 1891 geschrieben.
2 Denjenigen, die in diesen Worten eine Übertreibung ad hoc sehen möch-
ten, darf ich erzählen, daß der große Heidelberger Rechtslehrer Ernst Im-
manuel Bekker, der, als Zwischenspiel seiner Greifswalder Professur, ein
halbes Jahr 1862/63 im Auswärtigen Amt arbeitete, mir nach dem 1. 4. 15
von Bismarck schrieb als von dem „großen Mann mit dem weichen Herzen,
der keinen schönen alten Baum fällen sehen konnte“.
3 Pester Lloyd vom 13. 6. gibt die Stimmung eines Höflings. „Es war
. . . eine ganze Reihe von Gründen vorhanden, die Bismarck abhalten mußten,
um eine Audienz zu bitten. Er tat dies dennoch, und man war in den zur Ent-
scheidung berufenen Kreisen so rücksichtsvoll, hierüber strengstes Geheimnis
zu bewahren; um nicht durch Bekanntwerden des abschlägigen Bescheides
den Fürsten zu verletzen. Indessen ist er es nun selber, der den Zwischen-
fall verkündet.“
O. Gradenwitz:
keit ,,hob jeden Handschuh auf“. Im dritten Bande steht1, er würde
Herrn vonCaprivi manche Meinungsverschiedenheit eher nachsehen,
als die Zerstörung uralter Bäume2, ähnlich ließ er das deutsche Volk
empfinden, als Caprivi gegen ihn selbst vorging. — Er schleudert
blitzschnell durch die Münchener Allgemeine Zeitung die ihm und
den Seinen angetanen Kränkungen in die Öffentlichkeit, unbe-
kümmert um offiziöse Blätter, die seine Audienzmeldung „taktlos“
nennen3. Er weiß, daß nicht für ihn ein „Pudendum“ vorliegt.
Graf Kälnoky freilich, der aus dem Kaiserbriefe Bismarcks Wort:
„Ach Kälnoky werde ich schon herumkriegen“ kennt und der also
zeigen will, daß dies nicht gelungen ist, sagt dem Prinzen Beuß: zu-
erst nur, der Fürst habe ja öffentlich durchaus nichts anstößiges
gesagt, aber der Drang, öffentlich zu reden, habe ihm, dem Minister^
den Eindruck einer gewissen senilen Schwäche gemacht, die er im
Gespräch nicht bemerkt hätte.(Nr.283) Er wird aber schärfer nach der
Interview in der Neuen Freien Presse: (Nr.302) „Vieles, was der Fürst
gesagt, sei bereits aus seinen Preßorganen bekannt gewesen, Vieles
stände mit der historischen Wahrheit in Gegensatz und sei das, was
man gleich anfangs zu bemerken Gelegenheit hatte, nämlich daß eine
gedächtnislose, senile Geschwätzigkeit leider immer mehr zu tage
trete“.WennderGraf demFürsten gegenüber dasKompliment ablehn-
te, daß die österreichisch-ungarischen Unterhändler bei den Handels-
verträgen geschickter als die deutschenKommissare gewesen(Nr.28‘/),
so war das wiederum seine Pflicht als österreichisch-ungarischer Di-
plomat. Ebenso zeigt er sich als solcher, wenn sein Verhalten in einer
„Correspondenz aus Wiener Gesellschaftskreisen“ richtig geschildert
ist: „die oesterreichische Regierung ist dann alsbald in die Lage ver-
1 Herr v. Caprivi, nicht Graf; also ist diese Anmerkung (zu S. 117 auf
S. 118) noch 1891 geschrieben.
2 Denjenigen, die in diesen Worten eine Übertreibung ad hoc sehen möch-
ten, darf ich erzählen, daß der große Heidelberger Rechtslehrer Ernst Im-
manuel Bekker, der, als Zwischenspiel seiner Greifswalder Professur, ein
halbes Jahr 1862/63 im Auswärtigen Amt arbeitete, mir nach dem 1. 4. 15
von Bismarck schrieb als von dem „großen Mann mit dem weichen Herzen,
der keinen schönen alten Baum fällen sehen konnte“.
3 Pester Lloyd vom 13. 6. gibt die Stimmung eines Höflings. „Es war
. . . eine ganze Reihe von Gründen vorhanden, die Bismarck abhalten mußten,
um eine Audienz zu bitten. Er tat dies dennoch, und man war in den zur Ent-
scheidung berufenen Kreisen so rücksichtsvoll, hierüber strengstes Geheimnis
zu bewahren; um nicht durch Bekanntwerden des abschlägigen Bescheides
den Fürsten zu verletzen. Indessen ist er es nun selber, der den Zwischen-
fall verkündet.“