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Gradenwitz, Otto [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1921, 6. Abhandlung): Akten über Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892 — Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.37796#0038
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38*

O. Gradenwitz:

ich die Kerle“ von 1878 bezeichnet werden kann. Es ist darum
die Bismarcks Verzicht entsprechende Courtoisie von seiten beider
Landesfürsten, daß der Prinzregent unter einem schicklichen Vor-
wand verreist, während der König, vom Glück mehr begünstigt,
sich nur weiter fernzuhalten braucht. — „Sonst wichen Könige
aus“, sagt Chriemhild bei Ilebbel.
Die Münchener preußische Gesandtschaft bietet in ihren Be-
strebungen, dem Fürsten die Audienz beim Prinzen-Regenten zu
verlegen, ein ganz anderes Bild als die Wiener Botschaft. Der
Gesandte ist der vielgenannte, damalige Graf, Philipp Eulenburg,
welcher, Gesandter in Oldenburg, und „wegen gesellschaftlicher
Talente bei Sr. Majestät in besonderer Gnade stehend und häufig
nach Hofe berufen“ (G. u. E. 3, 142) 1889 dem Grafen Herbert
einen Wink wegen der zu „russenfreundlichen“ Politik der Bis-
marcks geben zu sollen geglaubt hatte und mit der Bitterkeit die
der überlastete Beamte dem höfischen Dilettanten entgegenbringt1,
zurückgewiesen worden war. Er hatte als Binnengesandter an deut-
schen Höfen amtiert, war ein Anhänger, wenn nicht Mitlenker,
des Neuen Kurses und einer der Dreimänner in der leidigen Affäre
des Berliner politischen Witzblattes. Ihm ist die Verhinderung der
Audienz Herzenssache und er berichtet mit Freude an der eigenen
Persönlichkeit und am eigenen Schaffen, wie er die Bayerischen
Entschließungen (Nr. 492) gelenkt habe. Er hat drei Staffeln der
Berichterstattung: preußischer Auswärtiger Minister (Nr. 45), Aus-
wärtiges Amt (Nr. 44. 48) oder Privatbrief an den Staatssekretär
Freih.v.Marschall (Nr. 47) und Privatbrief an den „Lieben Freund“
Holstein (Nr. 49), und tönt Form und Inhalt der Berichte nach
diesen drei Adressaten ab. Es war wohl nicht schwer, in dem
deutschen Kaiser den Eindruck zu erwecken, wie anders sich diese
Sache in Wien abgespielt hätte, wenn an Stelle des verbrauchten
Bismarckanhängers usw. — indes ist Graf Eulenburg erst 1894 Bot-
schafter in Wien an Stelle des Prinzen Reuß geworden. — Der
Crailsheimschen Mitteilung gegenüber, daß der Prinz-Regent Bis-
marck wissen lassen werde, daß dessen Aufenthalt in München ihm,
dem Regenten, peinlich sein würde, verhält er sich zunächst nicht
ablehnend, sondern schreibt an das Amt nur, er habe dies nicht
übernehmen wollen, sondern dem Grafen Lerchenfeld, dem Bayern
in Berlin, überlassen, aber er billigt offenbar diese Entschließung,
1 „ich, den die kaltgewordnen Wunden schmerzten“ hatte Bismarck in
einem solchen Falle im Reichstag zitiert.
 
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