Bismarcks großdeutsche Rundfahrt vom Jahre 1892.
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daß ich dort mit demselben Wohlwollen aufgenommen werde, wie
hier in der studierten und unstudiertenWelt.“— Dies bewahrheitete
sich an Jena: Wie der preußische Gesandte in Weimar (Nr.65x) es
ausdrückt: „Die Lorbeeren von Dresden, Wien und München haben
das kleine Jena nicht schlafen lassen“. Doch hätten sich, nach Mit-
teilung des Staatsministers von Groß, an der ,,in diesem Augen-
blick mehr als taktlosen1 Demonstration nicht die Universität als
solche2,“ auch „nicht die4 Dekane“, „sondern nur einzelne Bismarck-
enthusiasten unter den Professoren“ beteiligt, d. h. nach Kissingen
waren um Bismarck einzuladen die Professoren Häckel, Geizer und
Fürbringer, der Bürgermeister Singer und 2 Bürger gezogen. —
„Ob der Bürgermeister in Vertretung der Stadt oder nur persön-
lich teilgenommen habe, wußte er (Minister v. Groß) noch nicht.“
„Aus allen seinen Äußerungen hatte ich den Eindruck, daß das
Vorgehen der Jenenser die Weimarische Regierung in nicht geringe
Verlegenheit versetzt hat“ (Nr. 652) —wie inMünchen. Doch ist der
kleineStaat nicht imZweifel,was ihm die Not gebietet: in einem Kron-
rat in Schloß Wilhelmsthal (Nr.662) wird beschlossen, dem Universi-
täts-Kurator, als einzigem in Jena befindlichen Staatsbeamten, jede
Teilnahme zu untersagen (konfidentiell zu untersagen, „um den
Hamburger Nachrichten und der sonstigen Bismarck-Presse keinen
Anlaß zu etwaigen Erfindungen über von Berlin ergangene Urias-
briefe zu geben.“)(Nr.665)Auch sollte derChef desCultusdepartements
nach Jena reisen, um eine Beteiligung der Universität in corpore
und in Talaren zu widerraten, — nötigenfalls als Wunsch des Groß-
herzogs. Der Großherzog habe ursprünglich die Absicht gehabt,
den städtischen Behörden und den Universitätsprofessoren jede
Beteiligung kategorisch zu verbieten. Der Minister wolle dies wider-
rathen haben, da der politische Charakter der Demonstration zweifel-
haft sei, und die Universität unter 4thüringischenRegierungen stehe.
(Nr.663) Nun ist aber noch die Schwierigkeit da, daß derFürst denWeg
über Weimar nehmen wird (statt, wie erst beabsichtigt, über Saal-
feld) und in Weimar 1 % Stunden Aufenthalt haben müsse — daher
wird die Änderung der Reiseroute verheimlicht und der Direktor
der Weimar-Jenaer Bahn erklärt sich taktvoll bereit, einen Extra-
zug zu stellen, der den Fürsten sogleich nach Jena weiterbefördert,
1 Kommt man nach Jena heut, so verkündet am Marktplatz der Gast-
freund: „Hier hat Bismarck gesprochen“.
2 Hier wird also die Unterscheidung zwischen Universitas und singuli
gemacht, die wir bei der Wiener Instruktion vermißten.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist- Kl 1921. 6. Abh.
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daß ich dort mit demselben Wohlwollen aufgenommen werde, wie
hier in der studierten und unstudiertenWelt.“— Dies bewahrheitete
sich an Jena: Wie der preußische Gesandte in Weimar (Nr.65x) es
ausdrückt: „Die Lorbeeren von Dresden, Wien und München haben
das kleine Jena nicht schlafen lassen“. Doch hätten sich, nach Mit-
teilung des Staatsministers von Groß, an der ,,in diesem Augen-
blick mehr als taktlosen1 Demonstration nicht die Universität als
solche2,“ auch „nicht die4 Dekane“, „sondern nur einzelne Bismarck-
enthusiasten unter den Professoren“ beteiligt, d. h. nach Kissingen
waren um Bismarck einzuladen die Professoren Häckel, Geizer und
Fürbringer, der Bürgermeister Singer und 2 Bürger gezogen. —
„Ob der Bürgermeister in Vertretung der Stadt oder nur persön-
lich teilgenommen habe, wußte er (Minister v. Groß) noch nicht.“
„Aus allen seinen Äußerungen hatte ich den Eindruck, daß das
Vorgehen der Jenenser die Weimarische Regierung in nicht geringe
Verlegenheit versetzt hat“ (Nr. 652) —wie inMünchen. Doch ist der
kleineStaat nicht imZweifel,was ihm die Not gebietet: in einem Kron-
rat in Schloß Wilhelmsthal (Nr.662) wird beschlossen, dem Universi-
täts-Kurator, als einzigem in Jena befindlichen Staatsbeamten, jede
Teilnahme zu untersagen (konfidentiell zu untersagen, „um den
Hamburger Nachrichten und der sonstigen Bismarck-Presse keinen
Anlaß zu etwaigen Erfindungen über von Berlin ergangene Urias-
briefe zu geben.“)(Nr.665)Auch sollte derChef desCultusdepartements
nach Jena reisen, um eine Beteiligung der Universität in corpore
und in Talaren zu widerraten, — nötigenfalls als Wunsch des Groß-
herzogs. Der Großherzog habe ursprünglich die Absicht gehabt,
den städtischen Behörden und den Universitätsprofessoren jede
Beteiligung kategorisch zu verbieten. Der Minister wolle dies wider-
rathen haben, da der politische Charakter der Demonstration zweifel-
haft sei, und die Universität unter 4thüringischenRegierungen stehe.
(Nr.663) Nun ist aber noch die Schwierigkeit da, daß derFürst denWeg
über Weimar nehmen wird (statt, wie erst beabsichtigt, über Saal-
feld) und in Weimar 1 % Stunden Aufenthalt haben müsse — daher
wird die Änderung der Reiseroute verheimlicht und der Direktor
der Weimar-Jenaer Bahn erklärt sich taktvoll bereit, einen Extra-
zug zu stellen, der den Fürsten sogleich nach Jena weiterbefördert,
1 Kommt man nach Jena heut, so verkündet am Marktplatz der Gast-
freund: „Hier hat Bismarck gesprochen“.
2 Hier wird also die Unterscheidung zwischen Universitas und singuli
gemacht, die wir bei der Wiener Instruktion vermißten.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist- Kl 1921. 6. Abh.
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