Studien zur Spätscholastik. II.
7
dringen byzantinisch-stoischer Traditionen in das Abendland durch
Vermittlung des Michael Psellos er nachgewiesen zu haben glaubte.
Die Entwicklung dieses Terminismus, dessen „Formalismus und
Abstrusität, ja dessen Sinnlosigkeit“ (in seinen späteren Phasen)
nach Prantls Ansicht „fast alle Vorstellung übersteigt“1, verfolgte
er mit dem gereizten Interesse eines aufrichtigen Hasses. Diesem
„verstandlosen Treiben“ gegenüber schien ihm das eigentlich philo-
sophische, das spekulative Interesse mehr und mehr aus der spät-
scholastischen Literatur insbesondere okkamistischer Richtung zu
verschwinden, und so zog er den Gesamtnamen „Terminismus“
der üblichen, aus der Erkenntnistheorie abgeleiteten Bezeichnung
„Nominalismus“ vor. Trotz dieser Abneigung gegen den „Ter-
minismus“ als solchen gehörten seine offen ausgesprochenen Sym-
pathien der gleichfalls von Okkam durchgeführten nominalistischen
Trennung von Metaphysik und Theologie2; er suchte sie gegen den
Vorwurf älterer katholischer Forscher zu verteidigen, sie habe in
ihren Konsequenzen zur inneren Auflösung des scholastischen
Systems überhaupt geführt und erklärte sie (wohl gerade aus diesen
Sympathien heraus) für eine Teilerscheinung weitverbreiteter scho-
lastischer Richtungen, nicht für ein spezielles Merkmal des Ok-
kamismus.
Nur aus diesen Voraussetzungen ist seine Auffassung vom
Wesen des Gegensatzes zwischen via antiqua und via moderna zu
verstehen. Er sieht ihn „wesentlichst nur im Lehrstoffe begründet,
nicht aber in der Universalienfrage“3. „Die antiqui sind die-
jenigen, welche in Inhalt und Form sich an die thomistische und
skotistische Literatur anschließen; moderni hingegen sind jene,
welche, welche der an Okkam anknüpfenden Strömung folgen und
hiedurch bei einem übermäßigen Betriebe der proprietates termino-
rum und der damit verbundenen Sophismen, Insolubilia, Obli-
gatoria, Consequentiae sich den nicht ungerechtfertigten Vorwurf
hohler und leerer Sophisterei zuziehen.“ „Soll die Parteistellung
durch die Worte ,reales‘ und ,nominales‘ bezeichnet werden, so
ist dies nur in jenem Sinne zulässig, in welchem man auch von
scientiae reales und scientiae sermocinales sprach, d. h. die antiqui
beschäftigten sich im Hinblicke auf ihre Vorbilder auch mit den
realen Disziplinen (Metaphysik, Physik, Ethik) und schätzten daher
1 IV, 1. 2 III, 328. 3 IV, 187. Vgl. auch die knappe Zusammen-
fassung in „Gesch. der Ludw.-Maxim.-Universität in Ingolstadt, Landshut,
München“ I, 53ff. (1872).
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dringen byzantinisch-stoischer Traditionen in das Abendland durch
Vermittlung des Michael Psellos er nachgewiesen zu haben glaubte.
Die Entwicklung dieses Terminismus, dessen „Formalismus und
Abstrusität, ja dessen Sinnlosigkeit“ (in seinen späteren Phasen)
nach Prantls Ansicht „fast alle Vorstellung übersteigt“1, verfolgte
er mit dem gereizten Interesse eines aufrichtigen Hasses. Diesem
„verstandlosen Treiben“ gegenüber schien ihm das eigentlich philo-
sophische, das spekulative Interesse mehr und mehr aus der spät-
scholastischen Literatur insbesondere okkamistischer Richtung zu
verschwinden, und so zog er den Gesamtnamen „Terminismus“
der üblichen, aus der Erkenntnistheorie abgeleiteten Bezeichnung
„Nominalismus“ vor. Trotz dieser Abneigung gegen den „Ter-
minismus“ als solchen gehörten seine offen ausgesprochenen Sym-
pathien der gleichfalls von Okkam durchgeführten nominalistischen
Trennung von Metaphysik und Theologie2; er suchte sie gegen den
Vorwurf älterer katholischer Forscher zu verteidigen, sie habe in
ihren Konsequenzen zur inneren Auflösung des scholastischen
Systems überhaupt geführt und erklärte sie (wohl gerade aus diesen
Sympathien heraus) für eine Teilerscheinung weitverbreiteter scho-
lastischer Richtungen, nicht für ein spezielles Merkmal des Ok-
kamismus.
Nur aus diesen Voraussetzungen ist seine Auffassung vom
Wesen des Gegensatzes zwischen via antiqua und via moderna zu
verstehen. Er sieht ihn „wesentlichst nur im Lehrstoffe begründet,
nicht aber in der Universalienfrage“3. „Die antiqui sind die-
jenigen, welche in Inhalt und Form sich an die thomistische und
skotistische Literatur anschließen; moderni hingegen sind jene,
welche, welche der an Okkam anknüpfenden Strömung folgen und
hiedurch bei einem übermäßigen Betriebe der proprietates termino-
rum und der damit verbundenen Sophismen, Insolubilia, Obli-
gatoria, Consequentiae sich den nicht ungerechtfertigten Vorwurf
hohler und leerer Sophisterei zuziehen.“ „Soll die Parteistellung
durch die Worte ,reales‘ und ,nominales‘ bezeichnet werden, so
ist dies nur in jenem Sinne zulässig, in welchem man auch von
scientiae reales und scientiae sermocinales sprach, d. h. die antiqui
beschäftigten sich im Hinblicke auf ihre Vorbilder auch mit den
realen Disziplinen (Metaphysik, Physik, Ethik) und schätzten daher
1 IV, 1. 2 III, 328. 3 IV, 187. Vgl. auch die knappe Zusammen-
fassung in „Gesch. der Ludw.-Maxim.-Universität in Ingolstadt, Landshut,
München“ I, 53ff. (1872).