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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0037
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Studien zur Spätscholastik. II.

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lins, Adam Dorp und Albert von Sachsen auf der andern Seite.
Diese Zusammenstellung läßt keinen Zweifel, um welche Gegen-
sätze es sich hier handelt: theologisch betrachtet, bilden die auf-
gezählten Okkamisten gar keine eigentliche Gruppe, da nur ein
Teil von ihnen der Theologie überhaupt angehört; es kann also
nichts anderes sein, als die ihnen gemeinsame erkenntnistheore-
tische Grundlage, die sie den Gegnern tarn in facultate artium quam
theologiae verdächtig macht. Daß der Name Johannes Gersons auf
der Liste der Verketzerten fehlt, mag in dem so laut verkündeten
Wunsch nach einer vereinfachenden Reform der Theologie seinen
Grund haben, der hier mit hineinspielt.
Auch die Verteidigungsschrift der Nominalisten1 birgt für uns
keine Überraschung. Was sie als Differenzpunkt angeben, ist genau
dasselbe, was wir schon bei Gerson hervorgehoben fanden: sie
streiten gegen die „Formalitäten“ der skotistischen Theologie2 und
rühmen sich einer Lösung des Universalienproblems, die der kirch-
lichen Gotteslehre besser angemessen sei als die der Realisten.
Überdies legen sie großen Wert auf die Ausbildung der Lehre von
den Begriffen (proprietates terminorum), wie sie die Lehrbücher der
terministischen Logik bieten, während die Realisten über das alles
sich hinwegsetzen mit der Ausrede: Nos imus ad res, de terminis
non curamus. Hier haben wir nun denjenigen Quellenbeleg, auf den
vor allen andern Prantl und ihn vergröbernd Hermelink die These
aufgebaut haben, daß primär der Unterschied des Lehrstoffes die
Abweichung der beiden viae voneinander bestimme. Und doch ist
gar nicht zu verkennen — schon die ausdrückliche Berufung auf
eine Stelle bei Gerson zeigt es3 —, daß diese Nominalisten ihre Be-
schäftigung mit terministischer Logik nur als exaktere erkenntnis-
theoretische Fundamentierung der realwissenschaftlichen Erkennt-
nis betrachten, nicht etwa als Selbstzweck. Mit keinem Worte ist
davon die Rede, daß sie jenen „realen“ Disziplinen ferner zu stehen
glauben, als ihre Gegner. Die ganze Stelle hat keinen andern Sinn,
als eine Rechtfertigung zu bieten für die von den Gegnern be-
strittene Verwendung der terministischen Logik zu einer neuen
Erkenntnislehre: zu jener grundsätzlichen Scheidung des begriff-
1 Bei Baluze 1. c. Abdruck der wichtigsten Stellen auch bei Prantl
IV, 187, N. 63. 2 Z. B. Nominales dicunt, quod deitas et sapientia sint una
res et eadetn omnino, quia omne quod est in Deo, Deus est. Reales autem dicunt,
quod sapientia divina dividitur a deitate. 3 Dum vos ad res itis terminis neg-
lectis, in totam rei caditis ignorantiam.
 
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