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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0062
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62

Gerhard Ritter:

richtung der antiqui zahlenmäßig der älteren, „modernen“ Partei
unterlegen1 II.
Auch jetzt, nach der offiziellen Zulassung des Thomismus an
der Universität, verlautet nichts von einer förmlichen Spaltung
innerhalb der theologischen Fakultät. Daß die von der via antiqua
herkommenden Theologen indessen auch nach ihrem endgültigen
Übertritt in die obere Fakultät sich ihrer Parteistellung bewußt
blieben, wird durch zahlreiche persönliche Beziehungen von FTeidel-
berger Theologen zum „alten Wege“ bezeugt. Bereits ein Jahr
nach der Reform (30. Sept. 1453) gründet Johannes Wenck seine
Predigerburse mit FTilfe von zwei jungen, eben aus Paris angekom-
menen Magistern der via antiqua: Joh. Petri de Dacia und Burckard
Wenck von Herrenberg. Die Burse soll ad instar paedagogii Pari-
siensis, also wohl nach dem Muster der Sorbonne, d. h. für Theologen,
eingerichtet werden2. Burckard Wenck ist im Laufe der Jahre zum
Theologen aufgestiegen und Heidelberger Stadtpfarrer geworden3,
hat also den Lebensweg seiner Zöglinge selber betreten. Daß Jodo-
kus Aichmann, das Haupt der Reformer von 1452, gleichfalls als
Theologe und Pfarrer sein Leben beschloß, kam schon zur Sprache4.
Als meistgenannter Führer des alten Weges aber erscheint der
Kölner Magister Herwicus de Amsterdam, der Ende 1452 gleich
mit einer ganzen Schar niederrheinischer Schüler herüberkam; er
wird schon 1458 als lic. theol. erwähnt, schied aber auch dann nicht
aus den Ämtern des artistischen Lehrers aus, sondern wirkte noch
1461 als Dekan und 1462 bei den Prüfungen der niederen Fakultät
mit5. Man begreift diese engen persönlichen Zusammenhänge zwi-
schen der Reform des artistischen Studiums und der Theologie
ohne Schwierigkeit aus der leitenden Idee der Reformer: der Er-
neuerung des Thomismus. Soweit diese sich auf erkenntnistheore-
tische Kontroversen bezog, blieb sie auf den Bereich der artisti-
schen Fakultät beschränkt; sofern aber das restaurierte System eine
umfassende Einheit über die Grenzen der philosophischen Diszi-
plinen hinaus darstellte, ging die Reform der Artisten auch die
1 Das wird durch die Promotionszahlen bewiesen. Ich zähle 1454 — 1500
zus. 435 Promovierte des neuen, 267 des alten Weges. 2 a. f. a. II 23b —24a;
a. u. III 18a_b (Genehmigung der Lektur und Bursenregenz f. d. Genannten);
a. f. a. II 27a (1454, XII. 12 Zulassung des Petri zum consil. fac.). Joh. Petri
hat in Paris promoviert, stirbt 1464 als Dekan der Artisten (Toepke I, 274,
II 401). 3 Toepke I 332, 369; II 614. 4 S. o. p. 54. 5 Daten bei
Toepke (Register) sowie a. f. a. II 52. Als gestorben erwähnt 1481, mai 15
(a. u. III, 228b). Vgl. auch Keussen, Kölner Matrikel I, 320.
 
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