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Ritter, Gerhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0088
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Gerhard Ritter:

Aber vielleicht läßt sich wenigstens innerhalb des Lehrbetriebes
auf deutschen Universitäten ein Unterschied des Interesses für
metaphysische Fragen zwischen den beiden Schulrichtungen der
via antiqua und via moderna feststellen? Aus den Lehrplänen ist
er in keiner Weise zu entnehmen. Das Studium der Metaphysik
und Ethik des Aristoteles galt für beide viae als Höhepunkt und
Abschluß der Vorbereitung auf das artistische Magisterexamen; in
gewissem Sinne bildeten diese Lehrfächer — wie Marsilms von
Inghen im Anfang seines metaphysischen Lehrbuchs auseinander-
setzt — den Übergang zum theologischen Studium. Die Studien-
ordnung der Heidelberger Universität, wie sie sich um 1400 heraus-
gebildet hatte, ist weit über ein Jahrhundert mit fast unglaub-
licher Zähigkeit festgehalten worden. Die späteren Zusätze und
Änderungen betreffen nirgends grundsätzliche Fragen, sondern ent-
halten im wesentlichen nur genauere Detailbestimmungen, die in
der Hauptsache das Ziel verfolgen, Abweichungen vom alten Her-
kommen, Nachlässigkeiten in dessen exakter Befolgung vorzu-
beugen. Man darf nicht glauben, daß die Einführung der via
antiqua hierin einen Wandel gebracht hätte. Die große Zusammen-
stellung aller Fakultätsstatuten über den Lehrgang in beiden Wegen,
die man 1501 vornehmen ließ* 1 — vermutlich, um der immer mehr
einreißenden Mißachtung dieses Herkommens zu steuern—, läßt
deutlich erkennen, daß beide Schulrichtungen ihre Zöglinge im
wesentlichen denselben Studiengang durchmachen ließen, der von
Anfang an in Heidelberg üblich war und der den Studienordnungen
anderer deutscher Universitäten sehr ähnlich sieht2. Er beginnt
mit grammatischen Elementarübungen und den „kleinen Logi-
kalien“ und wird in diesem Anfangsstadium in den Partikular-
schulen bzw. den Übungen der Bursen abgemacht. Die vor-
geschriebenen Vorlesungen und Übungen an der Universität um-
fassen dann das aristotelische Organon und die Physik vor dem
Bakkalariatsexamen, dazu für die Bakkalare gewisse Teile der
von diesen Philosophen bedarf nach den Ergebnissen meiner Studie I einer
gründlichen Revision. Theolog. Interessen und augustin. Einflüsse finden sich
auch bei Marsilius v. Inghen sehr lebendig, okkamist. Skepsis kaum. 2. Gregor
v. Rimini steht dem Marsilius doch wohl näher als dem Joh. Gerson. 3. Wesent-
lich scheint mir für das Verständnis der Entwickelung, daß der Radikalismus
der Gruppe c) später offenbar überwunden wurde.
1 a. f. a. II 176a, III 2 — 12. Der nach a. f. a. II 39a i. J. 1464 fest-
gestellte modus regiminis magistrorum de via antiqua ist nicht erhalten.
2 a. f. a. III, 5bff.
 
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