Studien zur Spätscholastik. II.
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und (nach Ausweis der gangbaren Lehrbücher) in einer eiligen,
kursorischen Kommentierung der verhältnismäßig umfangreichen
aristotelischen Schrift bestand. Die große Lektur über Physik und
- aus ähnlichen Gründen — die über Psychologie behaupteten
darum als einzige Vorlesungen aus den „realen“ Fächern ihren
Platz neben den logischen Hauptkollegs. Man kann den Grad ihrer
Beliebtheit aus den Bestimmungen derHeidelbergerFakultät entneh-
men, die ihre Übernahme an gewisse Bedingungen knüpfte (z. B. Mit-
wirkung in den großen Disputationen undAbleistung der vorgeschrie-
benen zwei Pflichtjahre des jungen Magisters). Umgekehrt aber
wiederholen sich durch das ganze Jahrhundert hindurch die müh-
samsten Versuche der Fakultät, eines ihrer Mitglieder für die Vor-
lesung über Ethik oder gar über Metaphysik zu gewinnen. Für die
Ethik fand man den Ausweg, daß immer ein Magister für die
Bakkalare beider „Wege“ zugleich las, abwechselnd je ein Ver-
treter der via antiqua und der via moderna. Wenn es dann gelegent-
lich einmal vorkam, daß noch ein zweiter Magister dieselbe Vor-
lesung halten wollte, erhob sich jedesmal Streit; offenbar reichte
die Zahl der Hörer nicht hin, um die Vorlesung für zwei Dozenten
zugleich lohnend zu machen1. Schwieriger noch war es, das zeit-
raubende Kolleg über Metaphysik zustande zu bringen; die
Zahl der Bakkalare, die sich um den Magistergrad bewarben, war
oft sehr klein, und die Vorlesung stand am Ende des ganzen arti-
stischen Studienganges. Man versprach dem Magister, der sich
dennoch zur Übernahme dieses wenig lohnenden Kollegs entschlie-
ßen würde, alle möglichen Vergünstigungen, wie das Vorrecht auf
die große Physikvorlesung im nächsten Jahre, unbeschränkte Frei-
heit der Auswahl seiner nächsten Lektur u. dgl. Half das alles
nichts, so sollten die Festbesoldeten oder die Bursenvorstände, die
sich eines ausreichenden Einkommens erfreuten, der Reihe nach zur
l bernahme verpflichtet sein, nötigenfalls mit Hilfe zwangsweiser
Zuteilung der Lektur durch die Fakultät2. Doch scheint das alles
nicht immer zum Ziele geführt zu haben, da auch von Strafbestim-
mungen für sich weigernde Magister die Rede ist und die Beratun-
gen der Fakultät über diese Frage kein Ende nehmen.
So sah die alltägliche Wirklichkeit an den Universitäten aus.
1 a. f. a. II 18a (1451, nov. 20); ibid. 41b (1458, nov. 4.); ibid. 50a
(1461, april 14); ibid. 55b (1463, nov. 4); ibid. 104 (1481, sept. 28 = U. B. I
135); ibid. 11 lb (1483, sept. 27). 2 Zusammenstellung derartiger Bestim-
mungen : a. f. a. III 4b.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh.
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und (nach Ausweis der gangbaren Lehrbücher) in einer eiligen,
kursorischen Kommentierung der verhältnismäßig umfangreichen
aristotelischen Schrift bestand. Die große Lektur über Physik und
- aus ähnlichen Gründen — die über Psychologie behaupteten
darum als einzige Vorlesungen aus den „realen“ Fächern ihren
Platz neben den logischen Hauptkollegs. Man kann den Grad ihrer
Beliebtheit aus den Bestimmungen derHeidelbergerFakultät entneh-
men, die ihre Übernahme an gewisse Bedingungen knüpfte (z. B. Mit-
wirkung in den großen Disputationen undAbleistung der vorgeschrie-
benen zwei Pflichtjahre des jungen Magisters). Umgekehrt aber
wiederholen sich durch das ganze Jahrhundert hindurch die müh-
samsten Versuche der Fakultät, eines ihrer Mitglieder für die Vor-
lesung über Ethik oder gar über Metaphysik zu gewinnen. Für die
Ethik fand man den Ausweg, daß immer ein Magister für die
Bakkalare beider „Wege“ zugleich las, abwechselnd je ein Ver-
treter der via antiqua und der via moderna. Wenn es dann gelegent-
lich einmal vorkam, daß noch ein zweiter Magister dieselbe Vor-
lesung halten wollte, erhob sich jedesmal Streit; offenbar reichte
die Zahl der Hörer nicht hin, um die Vorlesung für zwei Dozenten
zugleich lohnend zu machen1. Schwieriger noch war es, das zeit-
raubende Kolleg über Metaphysik zustande zu bringen; die
Zahl der Bakkalare, die sich um den Magistergrad bewarben, war
oft sehr klein, und die Vorlesung stand am Ende des ganzen arti-
stischen Studienganges. Man versprach dem Magister, der sich
dennoch zur Übernahme dieses wenig lohnenden Kollegs entschlie-
ßen würde, alle möglichen Vergünstigungen, wie das Vorrecht auf
die große Physikvorlesung im nächsten Jahre, unbeschränkte Frei-
heit der Auswahl seiner nächsten Lektur u. dgl. Half das alles
nichts, so sollten die Festbesoldeten oder die Bursenvorstände, die
sich eines ausreichenden Einkommens erfreuten, der Reihe nach zur
l bernahme verpflichtet sein, nötigenfalls mit Hilfe zwangsweiser
Zuteilung der Lektur durch die Fakultät2. Doch scheint das alles
nicht immer zum Ziele geführt zu haben, da auch von Strafbestim-
mungen für sich weigernde Magister die Rede ist und die Beratun-
gen der Fakultät über diese Frage kein Ende nehmen.
So sah die alltägliche Wirklichkeit an den Universitäten aus.
1 a. f. a. II 18a (1451, nov. 20); ibid. 41b (1458, nov. 4.); ibid. 50a
(1461, april 14); ibid. 55b (1463, nov. 4); ibid. 104 (1481, sept. 28 = U. B. I
135); ibid. 11 lb (1483, sept. 27). 2 Zusammenstellung derartiger Bestim-
mungen : a. f. a. III 4b.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh.
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