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Ritter, Gerhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1922, 7. Abhandlung): Studien zur Spätscholastik, 2: Via antiqua und via moderna auf den deutschen Universitäten des XV. Jahrhunderts — Heidelberg, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.38041#0127
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Studien zur Spätscholastik. II.

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qua Zutritt vergönnten, sondern — wie Hermelink gelegentlich
selber zugeben muß — besonders früh und gründlich gerade in den
Hochburgen des Okkamismus: in Wien und Erfurt. Am Ende des
15. Jahrhunderts gab es überall Universitätslehrer, die in mehr
oder weniger nahen Beziehungen zum Humanismus standen, ohne
deshalb ihrer alten Wissenschaft untreu zu werden, und nichts ver-
dunkelt den wirklichen Tatbestand mehr, als die landläufige Vor-
stellung, die „Humanisten“ und „Scholastiker“ als zwei scharf von-
einander geschiedene Typen ansieht.
Der Humanismus ist eben von Anfang an als neues, von Italien
importiertes Bildungsideal nicht nur in den Kreisen geistig leben-
diger Laien, in Patrizierhäusern und an einzelnen Fürsterhöfen auf-
getreten, sondern fast gleichzeitig unter den akademischen Lehrern,
insonderheit der südwestdeutschen Universitäten, unter denen Basel,
jahrzehntelang der Sitz des großen Konzils, den italienischen und
französischen Einflüssen naturgemäß am weitesten offenstand. Die
Aufzählung humanistisch interessierter Magister aus dem Partei-
lager der via antiqua würde also für die in Frage stehende These
nur dann Beweiskraft haben, wenn sich derartige Typen ausschließ-
lich unter den Realisten finden würden. Davon kann aber gar
nicht die Rede sein. Die Vertreter der via moderna standen dem
Humanismus im allgemeinen genau so nah und genau so fern wie
ihre realistischen Gegner. Das gilt nicht nur von den moderni in
Erfurt und Wien. Selbst in dem humanistischen Freundeskreis zu
Basel, der vor Hermelink schon Zarncke auf die Vermutung einer
engeren Beziehung zwischen via antiqua und Humanismus gebracht
hat, fehlten die „Modernen“ nicht: der bischöfliche Vikar Christoph
von Utenheim, Johannes Reuchlin und später Dionysius Reuchlin
zählten sich zu ihrer Partei, die überdies an der dortigen Univer-
sität dauernd überwog1. Und aus dem Einfluß dieses Freundes-
kreises haben wir es doch wohl zu erklären, daß man die ganze
statutarische Unterscheidung der beiden viae in Basel schon 1492
1 Vischer, Gesch. d. Univ. Basel, 165, 170, 190. Reuchlins „moderne“
Herkunft vermag auch Hermelink nicht zu leugnen; er sucht (Theol. Fak.
152, N. 5) den störenden Eindruck dieser Tatsache mit der Erklärung zu ver-
wischen, daß R. seit seinem Pariser Aufenthalt über den Unterschied der
beiden Wege „innerlich erhaben“ gewesen sei. Sehr richtig! Das waren diese
Humanisten fast alle. Aber merkt H. nicht, wie er seiner eigenen These damit
ins Gesicht schlägt? Utenheim rechnet er ebd. ohne Quellenangabe zu den
antiqui, nachträglich (und ohne Angabe von Beweisen) im HancLb. d. K. G. III,
55 auch Joh. Reuchlin. Warum?
 
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