Studien zur Spätscholastik. II.
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risten am Hofe Friedrichs I. stammte nicht aus Köln oder Paris,
wie die der meisten thomistischen Magister, sondern aus Italien.
Köln, der Hauptsitz der via antiqua, ist den Humanisten ja trotz
Hermelink durchaus nicht als ein Eldorado, sondern als Hoch-
burg der ,,Dunkelmänner“ erschienen. Wenn nun diese reform-
lustigen, humanistisch gebildeten Juristen am Hofe Friedrichs I.
vielleicht durch ihre Freunde und Geistesverwandten von der thomi-
stischen Partei sich bestimmen ließen, deren Wünsche im Rahmen
der allgemeinen Universitätsreform durchzusetzen, so ist das ein
Ereignis, dessen (vielleicht zufällige) persönliche und sachliche Mo-
tive wir viel zu wenig durchschauen, als daß wir daraus weittragende
Schlüsse für die innere Verwandtschaft der beiden Geistesströmun-
gen ziehen dürften. Dauernd und einseitig ist diese Berührung
auch in Heidelberg keinesfalls geblieben* 1. Schon unter den Gön-
nern Peter Luders 1457 findet sich der — uns als „Moderner“ wohl-
bekannte (s. o. S. 69) — Theologe Stephanus Hoest2. In der
Verteidigungsschrift von 1499 (s. o. S. 75) wenden die Heidelberger
„Modernen“ alle erdenkliche Mühe auf, um sich dem Kurfürsten
Philipp und seinem Kanzler Dalberg als gut humanistisch gesinnte
Leute zu empfehlen. Die dem Marsilius in den Mund gelegte Rede
wird dem Cicero nachgeahmt; ihre schönen dictiones, clausulae und
elegantiae oratoriae werden eigens durch eingeschobene Buchstaben
hervorgehoben, damit sie nur ja recht auffallen. Man betont mit
Nachdruck, daß die Schriften des Marsilius sogar in Italien gedruckt
worden sind! Von sapphischen Strophen, von Distichen und
Tetrastichen zum Lobe des Schulhauptes wimmelt es geradezu.
Sache angesehen. Hätte er nach der Quelle dieses von ihm sehr eifrig verwer-
teten Satzes gefragt, so hätte er gefunden, daß ihm weiter nichts zugrunde
liegt, als ein von Wattenbach Z.G.O. XXII, 92 veröffentlichter lobhudelnder
Brief des Arrigino an Friedrich I. von 1457, der in ganz allgemeinen Wendungen
dessen Verdienste um die Humanitätsstudien preist, womit offenbar die An-
stellung Peter Luders 1456 gemeint ist, dem Arrigino offenbar selber sehr
gerne nachfolgen würde. Von der via antiqua ist mit keinem Worte die Rede.
Ob dieser italienische Landstreicher davon überhaupt etwas gewußt hat?
1 Hermelink sucht diese Tatsache damit zu erklären, daß der Humanis-
mus infolge italienischer Einflüsse in Heidelberg die scholastischen Partei-
gegensätze rascher als anderswo überwunden habe. Wie konnte er das, wenn
er in so engen Beziehungen zur via antiqua stand ?
2 Z.G.O. XXII, 44, 62. Es kann nur Hoest gemeint sein. Über dessen
humanistische Interessen, vgl. den oben S. 69 erwähnten Modus predicandi;
ferner Z. G. O. XXVII, 96; Holstein, Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs (1893)
p. 9, 12, 23ff; Geigers Viertelj.-Schr. I, 123-5.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh.
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risten am Hofe Friedrichs I. stammte nicht aus Köln oder Paris,
wie die der meisten thomistischen Magister, sondern aus Italien.
Köln, der Hauptsitz der via antiqua, ist den Humanisten ja trotz
Hermelink durchaus nicht als ein Eldorado, sondern als Hoch-
burg der ,,Dunkelmänner“ erschienen. Wenn nun diese reform-
lustigen, humanistisch gebildeten Juristen am Hofe Friedrichs I.
vielleicht durch ihre Freunde und Geistesverwandten von der thomi-
stischen Partei sich bestimmen ließen, deren Wünsche im Rahmen
der allgemeinen Universitätsreform durchzusetzen, so ist das ein
Ereignis, dessen (vielleicht zufällige) persönliche und sachliche Mo-
tive wir viel zu wenig durchschauen, als daß wir daraus weittragende
Schlüsse für die innere Verwandtschaft der beiden Geistesströmun-
gen ziehen dürften. Dauernd und einseitig ist diese Berührung
auch in Heidelberg keinesfalls geblieben* 1. Schon unter den Gön-
nern Peter Luders 1457 findet sich der — uns als „Moderner“ wohl-
bekannte (s. o. S. 69) — Theologe Stephanus Hoest2. In der
Verteidigungsschrift von 1499 (s. o. S. 75) wenden die Heidelberger
„Modernen“ alle erdenkliche Mühe auf, um sich dem Kurfürsten
Philipp und seinem Kanzler Dalberg als gut humanistisch gesinnte
Leute zu empfehlen. Die dem Marsilius in den Mund gelegte Rede
wird dem Cicero nachgeahmt; ihre schönen dictiones, clausulae und
elegantiae oratoriae werden eigens durch eingeschobene Buchstaben
hervorgehoben, damit sie nur ja recht auffallen. Man betont mit
Nachdruck, daß die Schriften des Marsilius sogar in Italien gedruckt
worden sind! Von sapphischen Strophen, von Distichen und
Tetrastichen zum Lobe des Schulhauptes wimmelt es geradezu.
Sache angesehen. Hätte er nach der Quelle dieses von ihm sehr eifrig verwer-
teten Satzes gefragt, so hätte er gefunden, daß ihm weiter nichts zugrunde
liegt, als ein von Wattenbach Z.G.O. XXII, 92 veröffentlichter lobhudelnder
Brief des Arrigino an Friedrich I. von 1457, der in ganz allgemeinen Wendungen
dessen Verdienste um die Humanitätsstudien preist, womit offenbar die An-
stellung Peter Luders 1456 gemeint ist, dem Arrigino offenbar selber sehr
gerne nachfolgen würde. Von der via antiqua ist mit keinem Worte die Rede.
Ob dieser italienische Landstreicher davon überhaupt etwas gewußt hat?
1 Hermelink sucht diese Tatsache damit zu erklären, daß der Humanis-
mus infolge italienischer Einflüsse in Heidelberg die scholastischen Partei-
gegensätze rascher als anderswo überwunden habe. Wie konnte er das, wenn
er in so engen Beziehungen zur via antiqua stand ?
2 Z.G.O. XXII, 44, 62. Es kann nur Hoest gemeint sein. Über dessen
humanistische Interessen, vgl. den oben S. 69 erwähnten Modus predicandi;
ferner Z. G. O. XXVII, 96; Holstein, Zur Gelehrtengesch. Heidelbergs (1893)
p. 9, 12, 23ff; Geigers Viertelj.-Schr. I, 123-5.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1922. 7. Abh.
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