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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0016
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Hans v. Schubert:

leuchten und durchsittigen zu lassen, und die Kirche brauchte sich
nicht mehr zu eigener Regulierung gedrängt zu sehen. Es brauchte
also gar kein Kampf zu sein, sollte man denken, wenn Verständnis
und Opferwilligkeit auf beiden Seiten gleich groß waren. Das ist
doch nur eine theoretische Betrachtung. Tatsächlich handelte es
sich um zwei höchste Rechte, die nun erst in Konkurrenz treten
konnten, weil sie auf einer Fläche standen, von denen das geist-
liche sich bereits weit ins weltliche Gebiet vorgewagt hatte, das
staatliche aber gewöhnt war, das offizielle Religionswesen zu
beherrschen und jetzt am wenigsten geneigt sein konnte, zurück-
zuweichen, da der Moment kritisch war und die Kirche dem Staat
als Stütze dienen sollte. So groß war die Reibungsfläche und
die Konkurrenz, daß es sich schon jetzt darum handelte, ob das
Resultat ein Priesterregiment im Staat oder ein Kaiserregiment
in der Kirche sein sollte. Die Dankbarkeit der befreiten Kirche,
die Verlegung des Schwerpunktes in den Osten, der Geist dieses
Ostens, der, unjuristisch, für Spekulation und Kultus weit mehr als
für Verfassungsfragen interessiert war, entschied für die Lösung
im zweiten Sinne.
Es war das Meisterstück Constantins, daß ihm der Einbau der
Kirche ohne ernstliche Störung glückte. In langsamem Tempo
führte er christliche Gesichtspunkte in die Gesetzgebung ein und
förderte zugleich den inneren Ausgleich der Anschauungen dadurch,
daß er in die obersten Verwaltungsposten mit Vorliebe Christen
einschob, die als solche den kirchlichen Organen mit Verständnis
entgegenkamen1. Der Staat wandte der Kirche immer mehr
Besitz zu, namentlich aus dem eingezogenen Tempelgut, vermehrte
also ihre Rechtstitel auch im Weltlichen und hob den Besitz da-
durch, daß er den Klerus von den Grundlasten und den städti-
schen Dienstleistungen befreite, aber er behielt die oberste Ver-
waltung in der Hand2. Er ließ den Bischöfen die alte Zuchtgewalt
auch über die Laien, selbstverständlich über den Klerus, ja Con-
stantin anerkannte spätestens 333 das bischöfliche Zivilgericht,
das sich von jenen Anfängen bei Paulus an entwickelt hatte, als
mit dem staatlichen konkurrierend, aber er unterwarf den Klerus
1 Cod. Theod. IX, 40, 2. II, 8, 1. VIII, 16, IV, 7, XV, 12, 1, XI, 39, 8
usw. Vgl. H. von Schubert, Lehrb. d. alten Kirchengeschichte (Möller P,
1902), S. 414, 423; F. Seuffert, Constantins Gesetze u. d. Christentum (Ak.
Rede), 1891.
2 H. von Schubert, 1. c. S. 412, 544f.
 
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