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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0018
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18

Hans v. Schubert:

Antiochien als Nachbar der Königin von Palmyra saß1, und ob-
gleich die christlichen Kaiser doch hier ihre besten Mitarbeiter
suchen mußten. Man ließ es bei dem hier besonders empfind-
lichen Recht der Kirche, das die Säule des ganzen Systems schützte,
das Amt der apostolischen Nachfolge, die den Strom der Wahr-
heit vom ersten Anfang in alle Zeiten und Räume leitete; man ent-
fesselte keinen Investiturstreit, aber man machte den Bischof der
Residenz Konstantinopel zum abhängigen Hofpatriarchen und
handhabte die Stelle als ein Werkzeug der Politik, und man be-
herrschte die Synoden bis zu dem Grade, daß auf ihnen die vom
Kaiser gewünschte Unionsdogmatik zustande kam. Und keine Re-
volte störte den Gang der Dinge. Erst im 8. und 9. Jahrhundert,
als die Kaiser den Mönchen und der Menge die Bilderanbetung ent-
reißen wollten, kam es zu einem Erwachen und einem letzten
Kampf um die Freiheit und das Recht der Kirche — viel zu spät.
Die ganze Entwicklung, die auf Aufsaugung des kirchlichen
Rechtes ging, wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht im gleichen
Tempo der Staat, auch der christlich gewordene Staat, sich und
sein Recht mit religiösem Nimbus umgeben hätte. Der alte Kaiser-
kult war tot, aber in der neuen Form der byzantinischen Theo-
kratie feierte er seine Auferstehung. Schon Constantin, der das
heidnische Amt des pontifex maximus beibehielt wie alle seine
Nachfolger bis Gratian, war nicht gewillt mit seinem Übertritt auf
die religiöse Begründung seiner Herrschaft ganz zu verzichten —
nicht nur durch die Weihe einer christlichen Priesterschaft, sondern
kraft eigenen göttlichen Herrscherrechts auch ein Bischof, der xoivöq
e7uaxo7uos, ja auch ein Apostel, der sein Grabmal herrichten ließ,
umgeben von dem der zwölf anderen, also wie ein zweiter Christus2.
Und die zur Mitherrschaft berufene Kirche weigerte ihm die adoratio
nicht und glitt dem Ende zu, das wir in der Staatskirche Justi-
nians vor uns sehen. Lesen wir dessen 28. Novelle, so schwillt
uns das Selbstgefühl des von Gott Erwählten entgegen, der aus
des Höchsten Hand die Krone empfing und dessen Umritt das
Heil der Völker bedeutete3. Und eben diese Gotteshuld befähigt
1 Loening II, 159 vgl. 29f., auch H. v. Schubert 1. c. S. 549 und Staat
und Kirche in den arian. Königreichen und im Reiche Chlodwigs, S. 159, 6, A. 1,
101 f. (1912). Aurelian bei Eusebius, eccl. VII, 30.
2 Eusebius, Vita Const. IV, 60. H. v. Schubert, 1. c. S. 423f., 543ff.,
675; Kübler S. 307ff.
3 O. Seeck, Art. adoratio bei Pauly-Wissowa I, 400; H.v. Schubert,
Gesch. d. ehr. K. im Frühmittelalter, S. 100 (1921).
 
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