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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0020
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20

Hans v. Schubert:

wie einem neuen Garanten dieser römischen Ewigkeit solche einzige
Autorität bestätigte1. Seit diesem Leo ist das abendländisch-
kirchliche Recht grundsätzlich an dies Zentrum Rom geknüpft, der
Bischof zu Rom oberste Rechtsquelle wie oberstes Richtamt.
Das geschah schon, als es Kaiser und Reich im Westen noch
gab, dem zerfallenden Staat und seinem erschütterten Recht gegen-
über. Nun aber trat mit dem Fall der einigenden Krone, mit der
Auflösung des Reichs in die Herrschaftsgebiete germanischer Völker
unter Heerkönigen eine noch weit günstigere Lage ein. Indem diese
neue Oberschicht, die im allgemeinen Christenglauben mit der
römischen Grundbevölkerung geeint, im albanischen Sonderbekennt-
nis aber von ihr getrennt war, vor allem darauf bedacht sein mußte,
ihre numerisch schwachen Haufen beieinander zu halten, gab sie jene
römische Unterschicht wie bürgerlich so auch kirchlich frei. Und
da beim Erlöschen des Reichs die Zivilgewalt in der Luft hing,
übernahm der kirchliche Organismus vielfach auch Belange der
bürgerlichen Verwaltung, speziell in der Wohlfahrtspflege, drang
wiederum tiefer in die bürgerliche Rechtssphäre ein, z. B. im Ehe-,
auch im Strafrecht, und gelangte zu so überragender Größe, daß
in Gallien die Bekleidung des Bischofsamtes als Abschluß der
Beamtenlaufbahn galt2. Es war eine ähnliche, nur unendlich viel
günstigere Lage, als in der allerersten Zeit, da man, auch von den
Herrschenden im Glauben getrennt, relativ unbehelligt die Kirche
zur Hierarchie hatte ausbauen können. Jetzt vollendet sie diesen
Ausbau nach oben und unten — nach unten, indem sie von der
Stadt aus immer mehr ins Land hinein sich verzweigt, ohne die
Verwaltungs- und Vermögenseinheit der Diözese aufzugeben, nach
oben, indem sie in dem Verlangen, die gefährdete Einheit durch die
Stärkung der einheitlichen Spitze zu retten, das hierarchische
System vollends zum Papalismus steigert3. Unter dem Regiment
des toleranten arianischen Ostgoten Theoderich geschah in Rom
jene obenerwähnte Kodifikation des kirchlichen Rechtes, in der den
Satzungen, den Kanones der großen Konzilien, der bisherigen, wesent-
3 Nov. Valent. III., tit. 16 bei Mirbt, Quellen z. Gesch. des Papst-
tums u. d. röm. Kathol. 4 V, 76f. (1924). Über die Entwicklung des Papst-
tums im 5. Jahrh., spez. Leo, z. B. Loening, 1. c. I, 458ff.; H. v. Schubert,
Alte KG., S. 718ff.
2 H. v. Schubert, Frühmittelalter, S. 19, 41f.; Loening I, 310, 314ff.,
II, 542ff.
3 H. v. Schubert, Frühmittelalter, S. 42, 46ff.
 
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