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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0021
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

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lieh dem Osten angehörigen Größe, die Erlasse der Päpste, der
neuen wesentlich abendländischen Größe, als zweiter stetig an-
schwellender Teil angehängt wurde. Unter dem gleichen Theoderich
formulierte Papst Gelasius Sätze über das Verhältnis von sacer-
dotium und imperium, die durch das ganze Mittelalter gegangen
sind: beide regieren die Welt, aber die Priester haben für die Könige
Rechenschaft abzulegen1. Unter demselben Theoderich entsteht
der große Komplex römischer Fälschungen, die man nach Papst
Symmachus nennt, alle darauf berechnet, die Freiheit des Klerus
von jedem weltlichen Gericht und vor allem das jedem irdischen
Richteramt entzogene Oberrichteramt des römischen Bischofs fest-
zustellen. Unter Theoderich hat Bischof Ennodius von Pavia in
einer Lobrede diese überirdische Qualität bis zur Heiligkeit ge-
steigert, so daß später Gregor VII. den Satz für würdig hielt, sich
im wuchtigsten Bekenntnis seiner Allgewalt darauf zu berufen2.
Und endlich, unter Theoderich keimte der unerhörte, nie wieder-
holte Versuch, der dann unter seinem Enkel Athalarich wirklich
ins Leben trat, das Papsttum auf Designation zu gründen, also eine
Art Papstdynastie göttlichen Gnadenrechtes zu schaffen und damit
an der entscheidenden obersten Stelle den Grundmangel zu beheben,
der dem ganzen hierarchischen System anhaftet: daß nämlich der
Besitzer göttlicher Rechte seine übermenschliche Stellung der
höchst menschlichen Kombination einer Wahl verdankt, und die
darauf folgende Weihe die himmlische Gnadenkraft nur hinterher
hinzubringt. Dieser Versuch, den übrigens ein Gote auf dem Papst-
stuhl wagte, Bonifaz II., erschien nun freilich selbst dem ariani-
schen König als staatsgefährlich, und der Papst bekannte sich
reus maiestatis3. Hatte also der Arianerkönig ein Majestätsrecht
auf die Besetzung des Papststuhls ? Einen Rechtskampf gab es
nicht, solange die Gegner noch nicht auf gleicher Glaubensfläche
standen.

1 Ep. 12, 2 (a. 494 an Kaiser Anastasius) und Tract. IV, 11, ed. Thiel I,
349; 567f. Decr. Grat. c. 10 D. XGYI. E. Bernheim, Mittelalterliche Zeit-
anschauungen in ihrem Einfluß auf Polit. u. Geschichtsschr. 1, 150ff. (1918).
2 H. v. Schubert, Frühmittelalter, S. 53ff. Reg. Greg. VII., II 55a.
(ed. Caspar S. 207, d. sog. dictatus Greg. 23): Quod Romanus pontifex si cano-
nice fuerit ordinatus, merito b. Petri indubitanter efficitur sanctus testante sancto
Ennodio Papiensi episcopo ei multis patribus faventibus sicut in decretis beati
Symmachi papae continetur.
■! Lib. pontif. I, 284 (ed. Duchesne). H. y. Schubert, Frühmittelalter
S. 57 ff. und Staat und Kirche usw. S. 106, A. 2; Hinschius, KR. I, 219, A. 3.
 
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