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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0034
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Hans v. Schubert:

geistliche Rechtsentwicklung erreicht hatte, konnte allerdings zu
solcher Kundgebung wohl verführen. Man vergegenwärtige sich,
was es heißt, daß die in der Hand des päpstlichen Monarchen ein-
heitlich geschlossene Rechtsanstalt der Kirche, die schon seit dem
12. Jahrhundert im Decretum Gratiani, ursprünglich einer Privat-
arbeit, eine systematische Sammlung und Verarbeitung des ge-
samten kirchlichen Rechtsstoffes besaß, sich nun im 13. Jahr-
hundert in den offiziellen Dekretalensammlungen Gregors IX. und
Bonifaz VIII. Kodifikationen des ganzen, in fünf große Gebiete
gegliederten Materials schuf, unter Nutzung der früheren Entwick-
lung, aber unter Ausscheidung des Unbrauchbaren, entstanden aus
den von Rom getroffenen Einzelentscheidungen, also aus dem Leben
der Gegenwart herausentwickelt und wiederum jeder Weiter-
entfaltung in der gleichen Richtung offen durch den Satz vom Papst
als einziger Quelle des höchsten Rechts* 1. Altrömische Rechts-
traditionen, lange verdrängt, aber doch auch angeregt und be-
fruchtet durch den hochstehenden Rechtssinn der Langobarden,
waren neu erwacht auf dem Boden Italiens; die Schulung an den
alten, nun wieder entdeckten klassischen Vorlagen war zuerst der
Arbeit am kirchlichen Recht zugunsten der Kirche zugute gekom-
men, und große Päpste wie Alexander III. und Innocenz III., die
Hohenstaufenbekämpfer, waren auch bedeutende, durch solche
Schulung hindurchgegangene Juristen. Aber das Höchste ist erst
gesagt, wenn man daran erinnert, daß sich Innocenz selbst mensch-
lichem Maße entnimmt und sein Reden und Tun als Gottes Reden
und Tun ansieht, absoluter Monarch nicht von Gottes Gnaden,
sondern als Gottes Mittler2; was er sanktioniert, mag es über-
nommen, mag es neu gesetzt sein, ist göttliches Recht schon des-
halb, weil er es sanktioniert, auch das geistliche Recht zweiter
Ordnung, das man dann als ius humanum bezeichnete, vom Geiste
Gottes beeinflußtes, „mit religiöser Verpflichtungskraft ausge-

gladium esse sub gladio et temporalem auctoritatem spirituali subici postestati
(z. B. bei Mirbt, Quellen4, S. 21 Of.).
1 Hinschius, KR. III, 734f.; Stutz, KR.2 §26; Sägmüller3 I, § 41 ff.
Gonrat, Geschichte der Quellen und Literatur des r. R., S. 63, 367ff.; Mod-
dermann-Schulz, Die Reception des r. R. (1875), S. 16ff.; J. F. von Schulte,
Gesch. der Quellen und Literatur des kan. R., 3 Bde., 1875/80.
2 Reg. I, 335 : non homo, sed deus separat, quod Romanus pontifex — non
humdna sed divina polius auctoritate dissolvit, Migne, Patr. C. 217, 658: minor
Den, sed maior homine, vgl. Hauck, KG. Deutschlands IV.3, 713ff.
 
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