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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0035
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

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stattetes Recht“1. Der Satz „in scrinio pectoris sui omnia iura
habere censetur“ trägt weiter, als sein erster Sinn besagte2 *. In
vollendeter Weise war die Einheitlichkeit eines höchsten Welt-
rechts in dem römischen Souverän dargestellt und verbürgt. Das
Bild, das uns schon am Eingang des Mittelalters begegnete, hat
sich vollendet.
Dem gegenüber sehen wir Europa in neuer politischer Auf-
lösung und Umbildung, ohne hegemonische Führung, die weltliche
Spitze der Christenheit niedergebrochen, das Imperium, an sich
von höchst unklarem Rechtsinhalt, seiner Bedeutung beraubt; das
starke deutsche Königtum, das ihm diese Bedeutung geschenkt,
selbst entleert, zur Wahlmonarchie geworden und damit des dyna-
stischen Haltes verlustig gegangen; das Reich auf dem Wege zum
Zerfall in eine Fülle von Teilstaaten, während das alte Westfranken
umgekehrt noch den Kampf gegen die Teilherrschaften führte und
England bis eben zu tun hatte, aus Britten, Angelsachsen und Nor-
mannen ein einheitliches Volk zu schaffen. Dem politischen Bild
entspricht der zurückgebliebene Stand der Rechtsentwicklung. Man
kann sich schwer eine Vorstellung machen von dem Durcheinander
der Rechte, das im deutschen Reich, aber auch anderswo herrschte,
von gemeinem und partikularem, von Land- und Lehnsrecht, von
Hof-, Dienst- und Stadtrechten; der Rechtsgang war schleppend
und unsicher; erst aus dem 13. Jahrhundert stammen die ersten
Sammlungen aus privater Feder, die Sachsen-, Deutschen- und
1 Sohm in seiner letzten großen Arbeit Das altkath. KR. und das
Dekret Gratians (i. d. Festschrift für Wach, 1918), S. 593. ,,Der Geist Christi
war auch in der gesellschaftlichen Selbstgesetzgebung der Kirche wirksam“, aber
nicht mehr unmittelbar, wie das grundlegende Verfassungs- und Sakraments-
recht, deshalb vom kirchlichen Gesetzgeber auch abzuändern, vgl. auch Stutz,
KR., S. 408; Sägmüller4, S. 13. Wenn aber Sohm meint, daß eben damals
im 12. Jhd. sich die große Wendung vom altkatholischen zum neukatholischen
KR. dadurch vollzogen habe, daß sich die charismatische Organisation in
eine körperschaftliche und damit auch ,,der größte Teil des KR.s sich in ius
humanum gewandelt habe“, so scheint mir hier eine starke begriffliche Kon-
struktion vorzuliegen, die durch eine Sonderuntersuchung über Gratian nicht
begründet werden kann. Sätze über die ganze Zeit bis hierhin wie der
(S. 591) ,,Kirchengesetzgebung war unmöglich“ sind handgreifliche Überspan-
nungen. Aber die klassische Kanonistik lehrte jetzt das geistliche Recht
begrifflich schärfer sondern. Vorher lag beides noch ineinander.
2 Er ist aus dem Munde Bonifaz VIII. bezeugt, bedeutet aber hier nur,
daß man beim Papst solche Kenntnis des Kirchenrechts voraussetzen könne,
vgl. Gillmann, im Archiv f. kath. KR., 1912, S. 3ff.; Stutz, KR., S. 325, A. 2.

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