Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.
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Wormser Konkordat, das wenige Jahre, 1122, nach diesem Muster
folgte, nur eine Zwischenlösung war auf dem Wege zur vollen
Niederlage des Königtums, behielt die englische Entwicklung diese
nationale Linie im ganzen bei, wie sich unter König John Lacland
zeigte, unter Umständen selbst gegen den König für die Nation.
Das Interesse des grundbesitzenden Adels, der in der Form des
Patronats um die Reste des germanischen Eigenkirchenrechts auch
hier kämpfte, lief im Grunde mit dem der Krone zusammen. Als
sich das Königtum im 13./14. Jahrhundert unter den drei Eduarden
zu neuer Blüte erhob und die Hierarchie sich Rom zugleich williger
zeigte, flammte die gewaltige nationale Bewegung empor, deren
vornehmster Träger Wicleff war; an der Seite des Königs trat
der Professor von Oxford in die Opposition, weil er es unerträglich
fand, daß der vierte Teil Englands in den Händen des Klerus dem
nationalen Staate und seinem Recht entfremdet würde1. Das alles
aber kam schließlich nach den zerrüttÄiden Wirkungen der Fran-
zosen- und Bürgerkriege, die den Adel vernichteten, einseitig der
königlichen Macht zugute: die englische Staatskirche war in ihrer
Hand.
Wichtiger noch war die verwandte Entwicklung in Frank-
reich — schon deshalb, weil man hier, in der Nachbarschaft Deutsch-
lands und Italiens dem Mittelpunkt der bisherigen kulturellen Bewe-
gung näher, seitdem 12. Jahrhundert selbst die geistige Führung in
Europa übernahm; die politische aber errang man sich allmählich
durch die jahrhundertelang konsequent durchgeführte, zielsichere
Zentralisierung aller Kräfte in der Hand des kapetingischen König-
tums, das man auch e lumbis Pippini, aus dem Geschlechte Pippins
des Karolingers, ableitete2. Die Beugung der Kirche, der Bischöfe,
der großen Orden war nur ein selbstverständlicher Teil dieser
Gesamtaktion, aber sie glückte um so leichter, als man ohne schwere
Konflikte die alte Grundstellung der germanischen Königsherrschaft
1 K. Müller, KG. II, 54ff.; R. Buddensieg, Wiclif und seine Zeit
(Ver. f. Ref. u. Gesch., 1885), S. 35ff., 72ff. Über den ganzen Verlauf des
Rechtsstreites in England während dieser Zeit am besten Haller, Papsttum
und Kirchenreform (1903), S. 375—465, bes. 3901'. („Zwei feindliche Rechts-
systeme treffen hier aufeinander“), S. 4351'. (das Scheinkonkordat von 1377)
und 458ff. (der staatskirchliche Abschluß am Anfg. des 15. Jahrhdts.).
2 Nogarets 7. Apologie v. 17. Dez. 1310 bei Dupuy, Hist, du differend
d’entre Boniface VII i. et Philippe le Bel (1655), p. 518: dominus rex esl
natus de progenie regum Francorum, qui omnes a tempore regis Pippini, de cuius
progenie dictus rex noscitur descendisse, fuerunl religiosi.
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Wormser Konkordat, das wenige Jahre, 1122, nach diesem Muster
folgte, nur eine Zwischenlösung war auf dem Wege zur vollen
Niederlage des Königtums, behielt die englische Entwicklung diese
nationale Linie im ganzen bei, wie sich unter König John Lacland
zeigte, unter Umständen selbst gegen den König für die Nation.
Das Interesse des grundbesitzenden Adels, der in der Form des
Patronats um die Reste des germanischen Eigenkirchenrechts auch
hier kämpfte, lief im Grunde mit dem der Krone zusammen. Als
sich das Königtum im 13./14. Jahrhundert unter den drei Eduarden
zu neuer Blüte erhob und die Hierarchie sich Rom zugleich williger
zeigte, flammte die gewaltige nationale Bewegung empor, deren
vornehmster Träger Wicleff war; an der Seite des Königs trat
der Professor von Oxford in die Opposition, weil er es unerträglich
fand, daß der vierte Teil Englands in den Händen des Klerus dem
nationalen Staate und seinem Recht entfremdet würde1. Das alles
aber kam schließlich nach den zerrüttÄiden Wirkungen der Fran-
zosen- und Bürgerkriege, die den Adel vernichteten, einseitig der
königlichen Macht zugute: die englische Staatskirche war in ihrer
Hand.
Wichtiger noch war die verwandte Entwicklung in Frank-
reich — schon deshalb, weil man hier, in der Nachbarschaft Deutsch-
lands und Italiens dem Mittelpunkt der bisherigen kulturellen Bewe-
gung näher, seitdem 12. Jahrhundert selbst die geistige Führung in
Europa übernahm; die politische aber errang man sich allmählich
durch die jahrhundertelang konsequent durchgeführte, zielsichere
Zentralisierung aller Kräfte in der Hand des kapetingischen König-
tums, das man auch e lumbis Pippini, aus dem Geschlechte Pippins
des Karolingers, ableitete2. Die Beugung der Kirche, der Bischöfe,
der großen Orden war nur ein selbstverständlicher Teil dieser
Gesamtaktion, aber sie glückte um so leichter, als man ohne schwere
Konflikte die alte Grundstellung der germanischen Königsherrschaft
1 K. Müller, KG. II, 54ff.; R. Buddensieg, Wiclif und seine Zeit
(Ver. f. Ref. u. Gesch., 1885), S. 35ff., 72ff. Über den ganzen Verlauf des
Rechtsstreites in England während dieser Zeit am besten Haller, Papsttum
und Kirchenreform (1903), S. 375—465, bes. 3901'. („Zwei feindliche Rechts-
systeme treffen hier aufeinander“), S. 4351'. (das Scheinkonkordat von 1377)
und 458ff. (der staatskirchliche Abschluß am Anfg. des 15. Jahrhdts.).
2 Nogarets 7. Apologie v. 17. Dez. 1310 bei Dupuy, Hist, du differend
d’entre Boniface VII i. et Philippe le Bel (1655), p. 518: dominus rex esl
natus de progenie regum Francorum, qui omnes a tempore regis Pippini, de cuius
progenie dictus rex noscitur descendisse, fuerunl religiosi.