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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0046
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Havs v. Schubert:

Ein letzter Gesichtspunkt vollendet erst den Gedankenkreis.
Rex Franciae est in regno suo tan quam quidem corporalis deus,
sagt Grassaille; papa deus in terris, medius inter deum et populum,
hieß es auf der andern Seite1. Bei Marsilius wie bei Bodin2 war
es die Staatspersönlichkeit, nicht nur ihre monarchische Form, der
die Souveränität eignet; das war wichtig genug für die spätere
Zeit des siegreichen demokratischen Gedankens, aber gegenüber
der Verkörperung der souveränen Kirche in dem einen Papste war
es ein Vorzug, daß sich auch der souveräne Staat damals noch
verkörperte in dem einen Herrscher. Auch vom Staate überhaupt
konnte man abgeleiteterweise sagen, er sei von Gott — weil nach
den von Gott gegebenen Vernunftgesetzen seinem Willen gemäß
entstanden oder einfach wegen Römer 13 — aber ganz anders und
direkt ließ sich das Haupt eines Monarchen als des Abbildes des
einen Weltregiments durch den einen höchsten Gott mit einem
göttlichen Strahlenkranz umgeben: tanquam corporalis deus. Das
hatten schon die römischen Kaiser, hatte Justinian der Kirche
gegenüber nötig gefunden, einem unentwickelten Papsttum gegen-
über — wieviel nötiger erschien es jetzt! Zumal als auf der
anderen Seite im Dienste eines neuerstarkten Papsttums die
Jesuiten Molina, Bellarmin und Suarez begannen, eben aus den
philosophischen, naturrechtlichen Staatskonstruktionen den rein
menschlichen Charakter des Staates abzuleiten, daraus aber für die
Kirche und ihr Recht gerade die Notwendigkeit ihrer höheren
Geltung zu folgern3. Alttestamentlich -Theokratisches, Altgerma-
nisch-Dynastisches, Altrömisch- und Mittelalterlich-Imperialisti-
sches vereinigten sich, diese religiöse Gipfelung des absoluten
Königsrechtes zu erzielen und daraus eine innerliche Begründung
für die Kirchenherrschaft des Monarchen zu gewinnen. Man kann
beobachten, daß der Notwendigkeit gegenüber, sich mit der Papst-
1. c. S. 438 u. G. Weill, Les theories sur le pouvoir royal en France pendant
les guerres de religion (1891), S. 15ff. — Die declaratio cleri Gallicani de
ecclesiae potestate bei Mirbt, S. 389.
1 Grassaille bei Weill S. 16, A. 4. Es verdient bemerkt zu werden,
daß so schon Vegetius, De re milit. II, 5 um 450 schrieb: nam imperatori,
cum Augusti nomen accepit, tanquam praesenti et corporali deo fidelis est prae-
standa devotio (bei Marquardt, Römische Staatsverf. III, 89, A. 2). — Tri-
umphus Augustinus, Summa de potest. eccl. (1322), so aber auch schon
Innozenz III., Sermo 2 de divers. 2 (Migne 217, 658 A.).
2 Jellinek, a. a. O., S. 439; Gierke, Althusius, S. 151.
3 Gierke, a. a. O., S. 60ff., 65ff.
 
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