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Hans v. Schubert:
römischen Kaiser1. Der Ansatz ist nicht zur Vollendung ge-
kommen, aber die Folge war doch eine bleibende Rechtsunsicher-
heit. Einmal: war nicht Papst Martin V., der die neue Reihe der
rechtmäßigen Päpste eröffnet, 1418 selbst von einem Ausschuß des
revolutionären, papstlosen und doch souveränen Konstanzer Konzils
gewählt worden? Und sodann: immer wieder konnte man das
Gespenst der Konstanzer Verfassungsgrundsätze zitieren. Die vier
deutschen Erzbischöfe haben noch am Ausgang des 18. Jahr-
hunderts den Episkopalismus erneuert und die ganze Entwicklung
seit Pseudo-Isidor verworfen2. Vor allem aber war solche Geister-
beschwörung den Fürsten geläufig und nützlich. Der Konstanzer
Episkopalismus und Rasier Konziliarismus bedeutete nicht nur
einen dauernden Riß in dem Gebäude des eigenen Rechts, er gab
mit seinem Kampf gegen den Mißbrauch des päpstlich-geistlichen
Rechts den Vertretern des weltlichen ein ausgezeichnetes Mittel in
die Hand für sich selbst zu ernten, was man nicht gesät hatte.
Das wäre nicht geschehen, wenn zu dem Schlimmen und
Schlimmeren nicht das Schlimmste getreten wäre. Jedes Recht
ruht letztlich zwar nicht auf dem Naturrecht, aber auf dem
„natürlichen“, durch Einsicht geschulten Gefühl für das sittlich
Rechte oder Unrechte. Das geistliche Recht aber hatte seine Dek-
kung durch das Rechtsgefühl weithin verloren, die Verweltlichung
der Kirche in jedem Sinn, das Hineinerstrecken der überreichen,
1 Hauck, a. a. O., und Die Rezeption und Umbildung d. allgem. Syn.
im MA. (Hist. Viertelj. 1907, S. 465ff.). Der wichtigste Satz aus dem Dekret
Haec sancta synodus Constantinensis v. 6. IY. 1415: — declarat, quod — con-
cilium generale faciens et ecclesiam catholicam repraesentans potestatem a Christo
immediate habet, cui quilibet, cuiuscumque Status vel dignitatis, etiamsi papalis
existat, obedire tenetur (bei Mirbt S. 228, dazu das Dekret Frequens, das das
Konzil zum ständigen Verfassungsorgan erhebt), zum Dogma gemacht durch
das Basler Konzil am 16. V. 1439: veritas de potestate concilii generalis — supra
papam et quemlibet alterum declarata per Cönst. et hoc Basil. generalia concilia
est veritas fidei catholicae. Das Basler Konzil schritt auch praktisch in der
Geschäftsordnung über die hierarchischen aristokratischen Verfassungsgedan-
ken zu den demokratischen fort in der Richtung der marsilianisch-aristo-
telischen Konstruktion des Dietrich von Niehm. Über die verschiedene Wir-
kung der politischen und kirchlichen Theorien Gierke S. 126ff.
2 Die Emser Punktation der 3 rhein. Erzbischöfe und des Erzbischofs
von Salzburg vom 25. VIII. 1786 (bei Mirbt S. 414f.) erfolgte auf Grund der
Sätze von Febronius (Weihbischof Nikolaus von Hontheim), dessen Leben
O. Mejer 1885 schrieb. Vgl. Vigener, Gallikanismus und episkop. Strömungen
im deutschen Katholizismus (Hist. Ztschr. 111, 1913).
Hans v. Schubert:
römischen Kaiser1. Der Ansatz ist nicht zur Vollendung ge-
kommen, aber die Folge war doch eine bleibende Rechtsunsicher-
heit. Einmal: war nicht Papst Martin V., der die neue Reihe der
rechtmäßigen Päpste eröffnet, 1418 selbst von einem Ausschuß des
revolutionären, papstlosen und doch souveränen Konstanzer Konzils
gewählt worden? Und sodann: immer wieder konnte man das
Gespenst der Konstanzer Verfassungsgrundsätze zitieren. Die vier
deutschen Erzbischöfe haben noch am Ausgang des 18. Jahr-
hunderts den Episkopalismus erneuert und die ganze Entwicklung
seit Pseudo-Isidor verworfen2. Vor allem aber war solche Geister-
beschwörung den Fürsten geläufig und nützlich. Der Konstanzer
Episkopalismus und Rasier Konziliarismus bedeutete nicht nur
einen dauernden Riß in dem Gebäude des eigenen Rechts, er gab
mit seinem Kampf gegen den Mißbrauch des päpstlich-geistlichen
Rechts den Vertretern des weltlichen ein ausgezeichnetes Mittel in
die Hand für sich selbst zu ernten, was man nicht gesät hatte.
Das wäre nicht geschehen, wenn zu dem Schlimmen und
Schlimmeren nicht das Schlimmste getreten wäre. Jedes Recht
ruht letztlich zwar nicht auf dem Naturrecht, aber auf dem
„natürlichen“, durch Einsicht geschulten Gefühl für das sittlich
Rechte oder Unrechte. Das geistliche Recht aber hatte seine Dek-
kung durch das Rechtsgefühl weithin verloren, die Verweltlichung
der Kirche in jedem Sinn, das Hineinerstrecken der überreichen,
1 Hauck, a. a. O., und Die Rezeption und Umbildung d. allgem. Syn.
im MA. (Hist. Viertelj. 1907, S. 465ff.). Der wichtigste Satz aus dem Dekret
Haec sancta synodus Constantinensis v. 6. IY. 1415: — declarat, quod — con-
cilium generale faciens et ecclesiam catholicam repraesentans potestatem a Christo
immediate habet, cui quilibet, cuiuscumque Status vel dignitatis, etiamsi papalis
existat, obedire tenetur (bei Mirbt S. 228, dazu das Dekret Frequens, das das
Konzil zum ständigen Verfassungsorgan erhebt), zum Dogma gemacht durch
das Basler Konzil am 16. V. 1439: veritas de potestate concilii generalis — supra
papam et quemlibet alterum declarata per Cönst. et hoc Basil. generalia concilia
est veritas fidei catholicae. Das Basler Konzil schritt auch praktisch in der
Geschäftsordnung über die hierarchischen aristokratischen Verfassungsgedan-
ken zu den demokratischen fort in der Richtung der marsilianisch-aristo-
telischen Konstruktion des Dietrich von Niehm. Über die verschiedene Wir-
kung der politischen und kirchlichen Theorien Gierke S. 126ff.
2 Die Emser Punktation der 3 rhein. Erzbischöfe und des Erzbischofs
von Salzburg vom 25. VIII. 1786 (bei Mirbt S. 414f.) erfolgte auf Grund der
Sätze von Febronius (Weihbischof Nikolaus von Hontheim), dessen Leben
O. Mejer 1885 schrieb. Vgl. Vigener, Gallikanismus und episkop. Strömungen
im deutschen Katholizismus (Hist. Ztschr. 111, 1913).