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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0059
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Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.

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Aber auch diese Zeit war zwiespältig und barg einen heimlichen
Gewinn für die scheinbar immer mehr bedrängte Sache des geist-
lichen Rechtes. Die abschließende Stufe des Staatskirchenrechtes
läßt sich auch als die zweite Stufe in der Geschichte eines neuen
Aufstiegs seines Widerspiels betrachten, wenn wir den Dingen auf
den Grund gehen.
Man kann drei, vier Momente, die die moderne Situation
geschaffen haben, unterscheiden — begrifflich, denn innerlich hän-
gen sie eng miteinander zusammen und laufen zeitlich durchein-
ander. Das erste ist der Sieg des Toleranzgedankens. Der Satz
von der Rechtsverbindlichkeit der obrigkeitlichen Bekenntnisse für
das Bekenntnis aller Untertanen oder die Forderung der „ein-
helligen Predigt“, hervorgegangen aus dem spätmittelalterlichen
ius reformandi der Obrigkeit, der Reformation ebenso wie der
Gegenreformation dienstbar, ließ sich auf die Dauer nicht halten.
Ein Philipp II. konnte schließlich die schwache Flamme evan-
gelischen Lebens auf der Pyrrhenäenhalbinsel durch das Gewalt-
mittel der Inquisition ausdrücken, Elisabeth von England konnte
in ihrem Inselreich mit ihrem Zwangsgebot der Uniformität einen
Scheinerfolg gegen die katholischen Reste, doch auch nur unter
schwerer Vergewaltigung, erzielen, und durch ihre Lage hoch im
Norden geschützt vermochten sich in den skandinavischen Ländern
rein evangelische Reichskirchen zu halten. Im Reich, der ,deut-
schen Nation, unserem geliebten Vaterland“, wie der Augsburger
Religionsfriede eingangs sagt, und nicht minder im Quell- und
Mündungsgebiet des Rheins, in der Schweiz und in den Niederlanden,
war das ausgeschlossen. Das Resultat der Kämpfe war ein Durchein-
ander kleinerer und größerer Territorien verschiedenen Konfessions-
standes, zumal in Süd- und Westdeutschland unter derselben kaiser-
lichen Spitze; jede der zahllosen Gebietserweiterungen oder Grenz-
verschiebungen durch Krieg oder Erbgang konnte den Bekenntnis-
stand des Territoriums verändern, und in vielen Frei- und Reichs-
städten wohnten Bewohner beider Konfessionen tatsächlich neben-
einander — „friedlich und ruhig“, gab schon der Frieden von 1555
zu und wünschte das gleiche für die Zukunft1. Der Westphälische
1 Briefe und Akten zur Gesch. des 16. Jahrhunderts, hrsg. von
A. von Druffel u. K. Brandi IV (der Augsb. Religionsfriede, 1896), S. 722ff.,
Nr. 14: Nach dem aber in vielen frei- u. reichstelten die bede religionen, nemlich
unser alte religion und die Augspur gischen confession verwanten rehgion ein zeit
hero im gang und geprauch gewesen, so sollen dieselben hinfüro auch also pleiben
 
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