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Schubert, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 2. Abhandlung): Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38924#0072
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72

Hans y. Schubert :

von Aquino zum Normaltheologen, zum princeps et magister om-
nium scholasticorum doctorum erklärt wurde. Damit waren Glau-
benslehre und Kirchenrecht, beides in eins, wieder auf die Grund-
lage des großen Meisters des Hochmittelalters gestellt und die Auf-
fassung kanonisiert, die dem Staat seinen Wert, aber in Unter-
ordnung unter die Kirche anweist1; Alles, wonach die Zeit auf
katholischer Seite unklar verlangte, erhielt nun seine Sicherheit,
und Leos Nachfolger, Pius X., sorgte durch sein Einschreiten gegen
den Modernismus, daß die vorgezeichnete Spur nicht verlassen
wurde. Er tat aber mehr. Wir sehen für die ganze katholische
Welt wieder eine Höhe erreicht durch eine alle Belange der
perfecta societas umfassende Kodifikation des kirchlichen Rech-
tes, die genau wie im Hochmittelalter dem Siege der päpstlichen
Autorität auf dem Fuße folgte, ja in ihm — hier also im Vatica-
num ■— wurzelte. ,,Der Geist des neuen Codex juris canonici“
von 19172, dieser staunenswerten Leistung einer nur 12jährigen
Arbeit, ist vatikanisch. Aber neben der Frömmigkeit des eigent-
lichen Schöpfers Pius X., der ,,alles in Christo erneuern“ wollte,
schwebt über ihm auch die Klugheit seines Vorgängers Leos
XIII., der ihn ins Auge faßte, und seines Nachfolgers Bene-
dikts XV., der ihn vollendete. Im wesentlichen der alte Stoff, aber
seiner Unübersichtlichkeit entrissen, unendlich vereinfacht, neu
gegliedert, in scharfe und kurze Paragraphensprache gefaßt, wirkt
der Codex wie ein neues Buch und erfüllt den Leser und Benutzer
mit dem Wohlgefühl der Klarheit und Sicherheit. Indem er jeden
1 Die Enzykl. Aet. Patr. v. 4. VIII. 1879, dazu die Enz. Diuturnum
illud y. 29. VI. 1881 über die Stellung zum Staat (catholici homines—ius im-
perandi a Deo repetunt velut a naturali necessarioque principio. ■—• Nihil esl,
cur non ecclessiae prohetur aut unius aut plurium principatus, si modo iustus_
sit. — Quamohrem •—■ non prohihentur populi illud sibi genus comparare rei-
publicae, quod aut ipsorum ingenio aut maiorum institutis moribusque magis
apte conveniat). Sämtl. Rundschr. Leos S. 84'ff., 202ff. (206); beiMiRBT S.474f.,
477ff., hiezu die Erklärung Pius X. über die Untrennbarkeit des päpstl. Lehr-
amts von der Politik, ib. S. 502. Über Leo die Monographien von L. K. Goetz
(1899) und M. Spahn (1905), dazu O. Schilling, Die Staats- und Soziallehre
Leos XII. (1925).
2 Dies der Titel des klar orientierenden Buches von U. Stutz, das
schon 1918 als „Einführung“ (Kirchenrechtl. Abh. 92/93) erschien. Wichtig
vor allem II (Der Kodex und die Andersgläubigen), III (Der Kodex und der
Staat) und VII (Bürgerlich-rechtl. Einschläge) S. 81 ff., 107ff., 175ff. Vgl. auch
W. Köhler „Der neue Codex“ in der Chr. Welt (1918), Sp. 100ff., 116ff., 149ff.
und Mirbt, Das Mischehenrecht d. Codex in d. Festschr. f. K. Müller, S. 282ff.
Ausg. des Codex mit Vorrede des Hauptbearbeiters Gasparri (Freiburg 1918).
 
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