Der Kampf des geistlichen und weltlichen Rechts.
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geistlichem und weltlichem Recht war unvermeidlich; reine Kampf-
gesetze, schwere Gegenschläge folgten. Nach dem, was voraus-
gegangen, erschien der Streit beiden Teilen als ein Kampf um die
moderne ,,Kultur“. Aber schon wurde diese auch dem Vorkämpfer
des Alten dienstbar; daß Pio nono auch den protestantischen
Kaiser-König und in ihm alle Protestanten insgesamt, weil rite
getauft, für seine Rechtssphäre reklamierte in demselben Hand-
schreiben, in dem er Wilhelm I. von Bismarck und Falk trennen
wollte* 1, wie einst Gregor VII. Heinrich den IV. von seinen Rat-
gebern, wirkte nur als Anachronismus. Aber zu gleicher Zeit wurde
die politisch-parlamentarische Parteibildung, die durch die soeben
verfluchte Staatsauffassung im Land- und Reichstag möglich gewor-
den war, das wichtigste Mittel, die Staatsleitung nach einem Jahr-
zehnt zum Frieden zu zwingen2. Er ist im ganzen als eine Nieder-
lage zu bezeichnen, wenn auch gerade in Ehe und Schule durch
die Einführung der bürgerlichen Eheschließung und die Behaup-
tung der Schulaufsicht wichtige Aktivposten auf dem Konto des
Staats zu buchen sind. Eine klare rechtliche Gesamtlage war auf
dieser Seite keinesfalls erzielt. Das geschah auch der Natur der
Sache nach nicht durch das große deutsche Einheitswerk des Bür-
gerlichen Gesetzbuches von 1896; immerhin wehrte es Einbrüchen
des kirchlichen Rechtes in das bürgerliche, vor allem in das Fa-
milienrecht, das die Zivileheschließung und ihre Rechtswirkungen
sicherte.
Aber auf der anderen Seite war inzwischen der Prozeß der
Klärung weitergegangen. Wenige päpstliche Entscheidungen sind
so wichtig wie die Enzyklika „Aeterni Patris“ Leos XIII. am Ein-
gang seines langen, 25jährigen Pontifikats 1879, durch die Thomas
dazu die Kommentare von Hinschius, auch bei L. Hahn, F. X. Schulte
und N. Siegfried2. Darstellungen der ganzen Konfliktszeit bis 1887 von
protest. Seite: R. A. Lipsius und J. Kissling (1913), von kath.: J. u. K.
Bachem. Knappe Zusammenfassung von E. Förster in „Rel. in Gesch. u.
Geg.“, Art. Kulturkampf.
1 Vom 7. VIII. 1873, veröff. im Reichsanzeiger v. 11. X., bei Mirbt
S. 469: „Anderseits wird mir mitgeteilt, daß E. M. das Verfahren Ihrer Regie-
rung nicht billige usw.“ „Jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in
irgend einer Beziehung oder auf irgend eine Weise, welche hier darzulegen
nicht der Ort ist, dem Papste an.“
2 Über die Entstehung der Zentrumspartei F. Schnabel, Der Zu-
sammenschi. des pol. Kathol. 1848 (1910); F. Bergsträsser, Der polit.
Kathol. 2 Bde. (1923), dazu F. Salomon, Parteiprogr.2, 2 Hefte (1912).
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geistlichem und weltlichem Recht war unvermeidlich; reine Kampf-
gesetze, schwere Gegenschläge folgten. Nach dem, was voraus-
gegangen, erschien der Streit beiden Teilen als ein Kampf um die
moderne ,,Kultur“. Aber schon wurde diese auch dem Vorkämpfer
des Alten dienstbar; daß Pio nono auch den protestantischen
Kaiser-König und in ihm alle Protestanten insgesamt, weil rite
getauft, für seine Rechtssphäre reklamierte in demselben Hand-
schreiben, in dem er Wilhelm I. von Bismarck und Falk trennen
wollte* 1, wie einst Gregor VII. Heinrich den IV. von seinen Rat-
gebern, wirkte nur als Anachronismus. Aber zu gleicher Zeit wurde
die politisch-parlamentarische Parteibildung, die durch die soeben
verfluchte Staatsauffassung im Land- und Reichstag möglich gewor-
den war, das wichtigste Mittel, die Staatsleitung nach einem Jahr-
zehnt zum Frieden zu zwingen2. Er ist im ganzen als eine Nieder-
lage zu bezeichnen, wenn auch gerade in Ehe und Schule durch
die Einführung der bürgerlichen Eheschließung und die Behaup-
tung der Schulaufsicht wichtige Aktivposten auf dem Konto des
Staats zu buchen sind. Eine klare rechtliche Gesamtlage war auf
dieser Seite keinesfalls erzielt. Das geschah auch der Natur der
Sache nach nicht durch das große deutsche Einheitswerk des Bür-
gerlichen Gesetzbuches von 1896; immerhin wehrte es Einbrüchen
des kirchlichen Rechtes in das bürgerliche, vor allem in das Fa-
milienrecht, das die Zivileheschließung und ihre Rechtswirkungen
sicherte.
Aber auf der anderen Seite war inzwischen der Prozeß der
Klärung weitergegangen. Wenige päpstliche Entscheidungen sind
so wichtig wie die Enzyklika „Aeterni Patris“ Leos XIII. am Ein-
gang seines langen, 25jährigen Pontifikats 1879, durch die Thomas
dazu die Kommentare von Hinschius, auch bei L. Hahn, F. X. Schulte
und N. Siegfried2. Darstellungen der ganzen Konfliktszeit bis 1887 von
protest. Seite: R. A. Lipsius und J. Kissling (1913), von kath.: J. u. K.
Bachem. Knappe Zusammenfassung von E. Förster in „Rel. in Gesch. u.
Geg.“, Art. Kulturkampf.
1 Vom 7. VIII. 1873, veröff. im Reichsanzeiger v. 11. X., bei Mirbt
S. 469: „Anderseits wird mir mitgeteilt, daß E. M. das Verfahren Ihrer Regie-
rung nicht billige usw.“ „Jeder, welcher die Taufe empfangen hat, gehört in
irgend einer Beziehung oder auf irgend eine Weise, welche hier darzulegen
nicht der Ort ist, dem Papste an.“
2 Über die Entstehung der Zentrumspartei F. Schnabel, Der Zu-
sammenschi. des pol. Kathol. 1848 (1910); F. Bergsträsser, Der polit.
Kathol. 2 Bde. (1923), dazu F. Salomon, Parteiprogr.2, 2 Hefte (1912).