Metadaten

Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0014
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

Heinrich Mitteis:

nigung gelobt, und erbrachte sie nicht; es konnte keinen Unter-
schied machen, ob er durch den Fehlschlag des Versuchs, sie zu
erbringen, oder durch dessen gänzliches Unterlassen beweisfällig
wurde. Da aber Beweisfälligkeit notwendig Sachfälligkeit bedeu-
tete1, so mußte ein nunmehr ergehendes Urteil den Wert eines
Sachurteils, eines meritorischen Erkenntnisses haben.
Wir haben es also mit zwei scharf voneinander unterschiedenen
Möglichkeiten zu tun. Es empfiehlt sich, das zuletzt erwähnte, im
Prozesse selbst spielende Versäumnisverfahren als „prozessuales“
dem reinen Kontumazialverfahren, in dem es zur Eröffnung des
Prozesses nicht kam, als einem „vor-“ oder „außerprozessualen“
entgegenzusetzen2.
Freilich müssen wir uns darüber klar sein, daß wir einen
strikten Beweis dieser Anschauungen für das volksrechtliche
Verfahren weder aus dem älteren salischen noch aus dem ribuari-
schen Recht erbringen können. Denn alle Stellen, auf die Brunner3,
der unsre Unterscheidung bereits kannte, und Mayer-Homberg4,
der sich auf ihn berief, zu dieser Frage beibringen, beziehen sich
auf das Verfahren im Königsgericht, dem, wie sofort gezeigt
werden soll, ein besonderer Charakter auch in dieser Hinsicht
vindiziert werden muß. Aber in anderen Volksrechten findet unser
Gedanke einen wenn auch nur spurenhaften Ausdruck5 und, was
viel wichtiger ist, in allen späteren Nachwirkungs- oder Einfluß-
gebieten des fränkischen Rechtes tritt er mit voller Deutlichkeit
auf. Überall zeigt sich die Spaltung des Kontumazialverfahrens in
ein außerprozessuales Achtverfahren auf Ladungsungehorsam ohne
Sachurteil und ein prozessuales Versäumnisverfahren auf Urteils-
ungehorsam (im Sinne der Beweisfälligkeit) mit Sachurteil. Erst
in späteren Entwicklungsstadien haben sich diese beiden logisch
und historisch trennbaren Kategorien gelegentlich einander an-
genähert und schließlich miteinander verschmolzen. Das geschah
insbesondere in den Stadtrechten, wo sich auch der Prozeß dem
Einfluß wirtschaftlicher Notwendigkeiten nicht dauernd entziehen
konnte und insbesondere im Schuld- und Handelsprozeß, dessen
1 A. M. Mayer-Homberg, a. a. 0., S. 274. Zum Ganzen auch Mayer-
Homberg, Beweis und Wahrscheinlichkeit (1921) S. 255 ff.
2 Vgl. meine Studien S. 145ff.
3 DRG. II, S. 461.
4 a. a. O., S. 274.
5 Belege in Studien S. 146 Anm. 2.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften