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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0013
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Politische Prozesse.

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sühne1, die Verhandlungsmaxime durchaus vor. Wie das Verfahren
sich in Rede und Gegenrede unter strengster contemplatio ver-
borum abspielte2, ist von Brunner und Sohm so anschaulich
geschildert worden, daß es genügt, hier darauf zu verweisen.
Jedenfalls richteten sich die das Verfahren bewegenden Prozeß-
akte unmittelbar an den Beklagten; von einer Möglichkeit, in
seiner Abwesenheit sachdienliche Anträge an das Gericht zu stellen,
erfahren wir nirgends etwas und dies hat eben innere, aus dem
Funktionieren des Prozesses abzuleitende Gründe. Eröffnung und
Fortgang des Prozesses hingen von der Mitwirkung der Parteien ab.
Ohne Beklagten kein Prozeß: das Kontumazialverfahren ist daher
kein Verfahren, eine Reaktion mit Mitteln des Prozeßrechts ist
unmöglich, nur mit strafrechtlichen Mitteln ist sie denkbar. Der
Ungehorsam läßt eine Buße verfallen und deren Versitzen führt zur
Friedlosigkeit, zur Ächtung, ursprünglich wohl zu verhängen durch
das Gericht des Bezirkes, dessen Vermittlung so zurückgewiesen
worden war. Wir haben es mit sekundärer Friedlosigkeit
zu tun, eintretend auch in Fällen, die von Haus aus nur mit Fehde
und Buße bedroht waren. Der psychologische Hintergrund aller
dieser Gedankengänge ist die zunehmende Abneigung gegen die
außergerichtliche Austragung von Streitigkeiten, die den Weigerer
des gerichtlichen Ausgleichs auf dem Umwege über die Buße als
Feind der Gesamtheit erscheinen ließ3.
Gänzlich anders lag die prozessuale Situation, wenn der Be-
klagte die gerichtliche Einlassung bereits vollzogen hatte. Denn
dann mußte er ja am Schlüsse der ersten mündlichen Verhandlung
Beweis oder Zahlung gelobt haben. Der letztere Fall interessiert
uns hier ebensowenig wie die allenfalls denkbare Weigerung, die
Erfüllung des Urteils zu geloben. Beide Eventualitäten bildeten
Achtfälle, aber das steht auf einem ganz anderen Blatte, denn beide
Fälle liegen außerhalb des ursprünglichen Prozesses: höchstens konn-
ten diese Rechtspflegedelikte Grundlage eines neuen Verfahrens rein
strafrechtlicher Natur bilden. Anders, wenn das Urteil auf Beweis
lautete: hier vermochte die Versäumnis im Beweistermin unmittel-
bare prozessuale Bedeutung zu gewinnen4; der Beklagte hatte Rei-
1 Be yerle, a. a. O., S. 263ff. 2 Zum folgenden meine „Studien“ S.142ff.
3 Insofern kann man mit Ma.yer-IIomberg a. a. O. S. 270 von Verletzung
„öffentlich-rechtlicher“ Pflichten sprechen — obwohl bei der Verwendung
dieses Ausdrucks größte Vorsicht am Platze ist.
4 Dabei vorausgesetzt, daß der Beweis schon Teil des Prozesses war.
Vgl. Bru n ner DRG. 11 S. 368 f.
 
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