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Heinrich Mitteis:
Stelle; ein Bedeutungswandel innerhall) weniger Zeilen ist doch
wohl unannehmbar. Ferner aber ändert sich das Bild, wenn man
in Betracht zieht, daß die B[ss. Nr. 5 und 6 den Zusatz machen
|erunt] . . in fisco aut cui jiscus dare voluerit,
woraus doch zumindest hervorgeht, wie man das culpabilis in der
fränkischen Zeit selbst auffaßte. Daraus ergibt sich, daß es bezie-
hungsbedürftig ist und nur in Verbindung mit einer inkriminierten
Tat verstanden werden kann, also offenbar nichts andres bedeutet
als ein in der Sache selbst verurteilendes Erkenntnis. Das ist nur
scheinbar ein Widerspruch mit der unmittelbar vorausgehenden
Ächtung. Denn einmal ist eine solche „Konkretisierung“ der Acht
durch Inbezugsetzung auf eine ganz bestimmte Straftat nicht
undenkbar und läßt sich aus späteren französischen Quellen er-
mitteln1. Und ferner: Vergegenwärtigt man sich die prozessuale
Situation, so wird man mit Notwendigkeit auf ein Sachurteil hin-
geführt. Denn unser Titel betrifft, wie die Eingangsworte2 klar
ergeben, auch und in erster Linie den Fall, daß der Beklagte nach
erfolgter Einlassung im Beweistermin ausbleibt. Hier wäre nach
dem oben Gesagten schon im Volksgericht die Erlassung eines
Urteils auf Bußzahlung möglich gewesen; die Stellung des Klägers
hätte sich also durch den Zug auf den König eher verschlechtert
als verbessert, wenn er vor dessen Gericht kein Urteil in der Sache
hätte erzielen können.
Ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines Sachurteils ist, daß
die Acht für ablösbar erklärt wird mit der Summe, die der Verurteilte
dem Gesetz nach zu zahlen haben würde — also offenbar durch die
Zahlung von faidus und fredus, durch Befriedigung des Klägers3.
Vielleicht war, wie Mayer-Homberg will, die Angabe der Lösungs-
summe geradezu der Anstoß zur Herausbildung eines Sachurteils.
1 S. meine Studien, S. 163 f. Auch nach der Auffassung Poetschs, Die
Reichsacht im MA. (1911), S. 246, ist die sofort zur vollen Friedlosigkeit
gesteigerte Acht eine Strafe sowohl des Ungehorsams als des Verbrechens. Es
dürfte angezeigt sein, den Unterschied zwischen Friedlosigkeit und Königs-
acht schon in der fränkischen Zeit zu beachten. Die primitive Gemeinschaft
kann nur mit Ausschluß, Versagung des Friedensschutzes gegen den Unsozialen
reagieren. Der König handhabt die Acht als echte Rechtsstrafe mit diskretio-
närem Inhalt.
2 Si quis ad mallum venire contempserit aut quod ei a rachineburgiis fuerit
iudicatum adimplere distulerit, si nec de compositione nec hineo nec de ulla legem
fidem jacere voluerit ....
3 So auch Mayer-Homberg, a. a. O., S. 274.
Heinrich Mitteis:
Stelle; ein Bedeutungswandel innerhall) weniger Zeilen ist doch
wohl unannehmbar. Ferner aber ändert sich das Bild, wenn man
in Betracht zieht, daß die B[ss. Nr. 5 und 6 den Zusatz machen
|erunt] . . in fisco aut cui jiscus dare voluerit,
woraus doch zumindest hervorgeht, wie man das culpabilis in der
fränkischen Zeit selbst auffaßte. Daraus ergibt sich, daß es bezie-
hungsbedürftig ist und nur in Verbindung mit einer inkriminierten
Tat verstanden werden kann, also offenbar nichts andres bedeutet
als ein in der Sache selbst verurteilendes Erkenntnis. Das ist nur
scheinbar ein Widerspruch mit der unmittelbar vorausgehenden
Ächtung. Denn einmal ist eine solche „Konkretisierung“ der Acht
durch Inbezugsetzung auf eine ganz bestimmte Straftat nicht
undenkbar und läßt sich aus späteren französischen Quellen er-
mitteln1. Und ferner: Vergegenwärtigt man sich die prozessuale
Situation, so wird man mit Notwendigkeit auf ein Sachurteil hin-
geführt. Denn unser Titel betrifft, wie die Eingangsworte2 klar
ergeben, auch und in erster Linie den Fall, daß der Beklagte nach
erfolgter Einlassung im Beweistermin ausbleibt. Hier wäre nach
dem oben Gesagten schon im Volksgericht die Erlassung eines
Urteils auf Bußzahlung möglich gewesen; die Stellung des Klägers
hätte sich also durch den Zug auf den König eher verschlechtert
als verbessert, wenn er vor dessen Gericht kein Urteil in der Sache
hätte erzielen können.
Ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines Sachurteils ist, daß
die Acht für ablösbar erklärt wird mit der Summe, die der Verurteilte
dem Gesetz nach zu zahlen haben würde — also offenbar durch die
Zahlung von faidus und fredus, durch Befriedigung des Klägers3.
Vielleicht war, wie Mayer-Homberg will, die Angabe der Lösungs-
summe geradezu der Anstoß zur Herausbildung eines Sachurteils.
1 S. meine Studien, S. 163 f. Auch nach der Auffassung Poetschs, Die
Reichsacht im MA. (1911), S. 246, ist die sofort zur vollen Friedlosigkeit
gesteigerte Acht eine Strafe sowohl des Ungehorsams als des Verbrechens. Es
dürfte angezeigt sein, den Unterschied zwischen Friedlosigkeit und Königs-
acht schon in der fränkischen Zeit zu beachten. Die primitive Gemeinschaft
kann nur mit Ausschluß, Versagung des Friedensschutzes gegen den Unsozialen
reagieren. Der König handhabt die Acht als echte Rechtsstrafe mit diskretio-
närem Inhalt.
2 Si quis ad mallum venire contempserit aut quod ei a rachineburgiis fuerit
iudicatum adimplere distulerit, si nec de compositione nec hineo nec de ulla legem
fidem jacere voluerit ....
3 So auch Mayer-Homberg, a. a. O., S. 274.