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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0019
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Politische Prozesse.

19

Nun handelt es sich in der Stelle aber nicht nur um prozes-
suales, sondern auch um außerprozessuales Versäumnisverfahren
gegen denjenigen, der von vornherein ad mallum venire contemp-
serit1. Es ist nicht zu ersehen, daß für diesen Fall Abweichendes
gegolten hätte. Hier liegt also eine positive Neuerung gegenüber
dem Volksrecht vor. Es ist eine Eigentümlichkeit des königsrecht-
lichen Verfahrens, daß es auf alle Fälle zu einem Urteil in der Sache
selbst führt. Und das läßt sich aus der Sonderstellung des Königs-
gerichtes heraus auch begreifen: Wer legibus dominicis mannitus
war, den trafen eben eine höhere Folgepflicht2 und andre Kon-
tumazialnachteile als den bloß vor ein Bezirksgericht Geladenen.
Das Gesagte ist nun vollends zu erhärten aus den Prozeß-
formeln des 7. und 8. Jahrhunderts. Von ihnen ist die eindeutigste
die carta Senonica Nr. 263, die ohne jedes Zwischenglied zwischen
Ladung4 und Verurteilung zum glatten Sachurteil gegen den Säu-
migen leitet, während in Form. Turon. Nr. 335 und Marculfi I
Nr. 376 wenigstens eine Gestellungsbürgschaft dazwischenliegt;
1 Der Widerspruch Sohms, Prozeß der L. Sal., S. 161, dagegen kann als
erledigt gelten.
2 Mit diesem treffenden Begriff arbeitet für die römische extraordinaria
cognitio L. Wenger, Institutionen des röm. Zivilprozeßrechts (1925), S. 273ff.
im Anschluß an Wlassaic, ZRG. Rom. Abt. 25, 158. Daß sich auf dem
ureigensten Gebiete königliche Rechtsprechung, dem Inquisitionsprozesse, ein
ihm adaequates eignes Versäumnisverfahren per eremodicium gebildet hat, das
dem spätrömischen sehr ähnlich war, habe ich Studien S. 206ff. darzutun
versucht.
3 Zeumer, Formulae (MG. LL. Sectio I, tom V), p. 196: Cum nos in
Dei nomen palatio nostro ad universorum causas audiendum vel recta iudicia
terminanda una cum proceribus nostris resederimus, ibique veniens homo alicus
nomen ille subgerit, intulit, eo quod apud nostro signaculo homine alico nomen
illo mannitum habuisset, ut super noctis tantas ante nos debuisset venire in rationis,
pro eo quod dixit, quod res suas post se mali ordine tenebat iniuste. A quo placitum
veniens ipse ille per triduo seo amplius placitum suum custodivit, et nec ipse ille
ad eum placitum venit nec missum in vice sua direxerit, qui ulla sonia nuntiasset.
Proinde nos taliter una cum fidelibus nostris vel comite palate nostro illo visi
fuimus iudicasse, ut . . . placito suo neglexit et iactivus ex inde remansit;
propterea iubemus, ut, quicquid lex loci vestri de tale causa debuerit, vobis distra-
henUbus, ipse ille partibus ipsius lue hominis componit atque emendare studeat.
i Diese erfolgt apud nostro signaculo. Dazu Waitz, VG. II2, p. 511,
N. 3; Sohm, Fränk. Reichs- und Gerichtsverf. 115; Glasson, Histoire du
droit et des institutions de la France III (1889), p. 458ss.; Chenon, Histoire
generale du droit frangais public et prive 1 (1926), p. 249.
5 Zeumer, a. a. O., 155.
6 Zeumer, a. a. O., 67.
 
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