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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0039
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Politische Prozesse.

39

magis respectu ad nos eum recolligendi quam de nobis repellendi. Ille
vero apposuit iniquitatem super iniquitatem, . . . quod iam non tantum-
modo bonis suis sed etiam vita privari meruit. Unde auferentes ei
omnia bona sua sine spe recuperandi comitatum . . . sancto
Martino . . . reddidimus.
Was ist das Neue an dieser Praxis des Reichshofgerichts ?
Mehrere haben sich schon mit der Interpretation unsrer Urkunden
befaßt, insbesondere Niese1 und Güterbock2. Niese gibt eine
alternative Erklärung, je nachdem ob man ein oder zwei Urteile
als gegeben annimmt. Im ersten Falle sei nur ,,die vermögens-
rechtliche Seite der Acht nochmals ausdrücklich ausgesprochen
worden.“ Diese Fassung scheint mir indiskutabel. Man muß
fragen, durch welche Kriterien im früheren Mittelalter ein Urteil
überhaupt individualisiert wurde. Diese Frage erscheint müßig
unter Verhältnissen, in denen durch genaue protokollarische Auf-
zeichnungen der Urteilstenor jeweils zweifelsfrei festgelegt wird.
Sie ist durchaus berechtigt in Zeiten, wo sich aus dem großen
Gremium des kaiserlichen Gefolges heraus jederzeit neue Urteiler-
kollegien bilden konnten. Sie muß eben dahin beantwortet werden,
daß verschiedene Besetzung der Richterbank verschiedene Urteile
zur Entstehung gelangen läßt.
Worin liegt nun die Verschiedenheit der beiden Urteile in
unserrn konkreten Fall ? Keineswegs lassen sie sich in die getrennten
Rechtskreise des Fand- und Fehnrechts einordnen. Denn das
zweite besitzrechtliche Urteil umfaßt auch Eigengüter; nachdem
in U I der Fehnsbesitz ganz präzise hervorgehoben wurde, läßt sich
der generelle Ausdruck bona nur auf Fehn und Eigen zusammen
beziehen. Also nur darin liegt die Neuheit und Resonderheit, daß
jetzt über die Liegenschaften des Angeklagten ein eigener Gerichts-
spruch ergeht; sie werden dem Kaiser ausdrücklich zugesprochen-
(„assignare“ sagt U III von der Tätigkeit der Urteiler). Dies hatte
aber eine ganz spezifische Bedeutung. Denn nach mittelalterlicher
Anschauung erzeugt schon das Urteil, das dem Beklagten die
Gewere abspricht, zugleich eine neue Gewere zugunsten des Siegers3.
Entsprechend entsteht hier zugunsten des Königs eine Gewere durch
den Spruch seiner curia. Wenn er sich nunmehr der Güter Ekberts
unterwindet, so tut er es zum Zwecke der Herbeiführung einer
1 A. a. O. 210f.
2 Prozeß Heinrichs d. L. 199ff.
3 Über eine Einschränkung, die dieser Satz erfährt, s. unten S. 46.
 
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