Politische Prozesse.
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Vergabung der einen Hälfte davon an die Kölner Kirche zu Händen
ihres Erzbischofs Philipp von Heinsberg. Doch ist es nicht die
dispositio, die unser Interesse an erster Stelle in Anspruch zu
nehmen berufen ist, sondern die narratio, die es unternimmt, die
gesamten durch die Verurteilung Heinrichs des Löwen geschaffenen
Rechtsgrundlagen der königlichen Verleihung aufzurollen. In ge-
drängter Kürze wird dargelegt, wie der Kaiser überhaupt in die
Lage gekommen sei, jene Verfügung über Sachsen zu treffen: weil
nämlich ein Lürstengericht dieses H erzogtum nebst dem Herzogtum
Bayern und den andern Reichslehen Heinrichs des Löwen in einem
lelmrechtlichen Kontumazialverfahren in die Gewalt des Kaisers
geurteilt habe. Lerner erfahren wir — zu welchem Behufe, das wird
sich nachher zeigen — daß derselbe Heinrich durch ein Gericht
von Ltirsten und schwäbischen Standesgenossen ebenfalls im Kon-
tumazialverfahren in die Reichsacht erklärt worden sei.
Diese narratio ist nun eines der schwierigsten — und, wenn
man die Wichtigkeit des Inhalts in Betracht zieht, kann man wohl
behaupten: das schwierigste — Satzgefüge der mittelalterlichen
Urkundenliteratur. Ich trete mit dem vollen Bewußtsein der Ver-
antwortung1 der Aufgabe näher, zu seiner Interpretation einen
Beitrag zu liefern, zumal es mir mit Rücksicht auf den Zweck
dieser Abhandlung gar nicht möglich ist, den Beweis in derartiger
Breite anzutreten, wie es Güterbock, Haller, Schambach und
andere getan haben2. Indessen bin ich andrerseits wieder in der
günstigen Lage, mich der genauen und — wie gezeigt werden wird,
bis auf einen Punkt wohl abschließenden — textkritischen Re-
konstruktionsarbeit zu bedienen, die L. Güterbock in jahrelanger
Arbeit geleistet hat. Seine Tätigkeit läßt das Original wieder
1 Dazu Hampe, Mittelalt. Geschichte (Wissensch. Forsch.-Berichte, hrsg.
v. Hönn VII, 1921), S. 76.
2 Im folgenden bedeutet: Güterbock I: Ferdinand Güterbock, Der
Prozeß Heinrichs des Löwen, Berlin 1909. — Haller: Johannes Haller,
Der Sturz Heinrichs des Löwen (Archiv f. Urk.-Forsch. III, S. 295—450). —-
Schambach: Karl Schambach, Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und
der Prozeß Heinrichs des Löwen (Ztschr. des Historischen Vereins f. Nieder-
sachsen 81, 1—41; 83, 189—276). -— Güterbock II: F. Güterbock, Die
Gelnhäuser Urkunde und der Prozeß Heinrichs des Löwen, Hildesheim u.
Leipzig 1920. — Erben: Wilhelm Erben, Die erzählenden Sätze der Geln-
häuser Urkunde in „Papsttum und Kaisertum“ (Forschungen zur politischen
Geschichte und Geisteskultur des MA., Paul Kehr zum 65. Geburtstag dar-
gebracht, hrsg. von Albert Brackmann, München 1926, S. 390—414.)
Sitzungsberichte d. I-Ieidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1926/27. ?. Abli. 4
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Vergabung der einen Hälfte davon an die Kölner Kirche zu Händen
ihres Erzbischofs Philipp von Heinsberg. Doch ist es nicht die
dispositio, die unser Interesse an erster Stelle in Anspruch zu
nehmen berufen ist, sondern die narratio, die es unternimmt, die
gesamten durch die Verurteilung Heinrichs des Löwen geschaffenen
Rechtsgrundlagen der königlichen Verleihung aufzurollen. In ge-
drängter Kürze wird dargelegt, wie der Kaiser überhaupt in die
Lage gekommen sei, jene Verfügung über Sachsen zu treffen: weil
nämlich ein Lürstengericht dieses H erzogtum nebst dem Herzogtum
Bayern und den andern Reichslehen Heinrichs des Löwen in einem
lelmrechtlichen Kontumazialverfahren in die Gewalt des Kaisers
geurteilt habe. Lerner erfahren wir — zu welchem Behufe, das wird
sich nachher zeigen — daß derselbe Heinrich durch ein Gericht
von Ltirsten und schwäbischen Standesgenossen ebenfalls im Kon-
tumazialverfahren in die Reichsacht erklärt worden sei.
Diese narratio ist nun eines der schwierigsten — und, wenn
man die Wichtigkeit des Inhalts in Betracht zieht, kann man wohl
behaupten: das schwierigste — Satzgefüge der mittelalterlichen
Urkundenliteratur. Ich trete mit dem vollen Bewußtsein der Ver-
antwortung1 der Aufgabe näher, zu seiner Interpretation einen
Beitrag zu liefern, zumal es mir mit Rücksicht auf den Zweck
dieser Abhandlung gar nicht möglich ist, den Beweis in derartiger
Breite anzutreten, wie es Güterbock, Haller, Schambach und
andere getan haben2. Indessen bin ich andrerseits wieder in der
günstigen Lage, mich der genauen und — wie gezeigt werden wird,
bis auf einen Punkt wohl abschließenden — textkritischen Re-
konstruktionsarbeit zu bedienen, die L. Güterbock in jahrelanger
Arbeit geleistet hat. Seine Tätigkeit läßt das Original wieder
1 Dazu Hampe, Mittelalt. Geschichte (Wissensch. Forsch.-Berichte, hrsg.
v. Hönn VII, 1921), S. 76.
2 Im folgenden bedeutet: Güterbock I: Ferdinand Güterbock, Der
Prozeß Heinrichs des Löwen, Berlin 1909. — Haller: Johannes Haller,
Der Sturz Heinrichs des Löwen (Archiv f. Urk.-Forsch. III, S. 295—450). —-
Schambach: Karl Schambach, Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und
der Prozeß Heinrichs des Löwen (Ztschr. des Historischen Vereins f. Nieder-
sachsen 81, 1—41; 83, 189—276). -— Güterbock II: F. Güterbock, Die
Gelnhäuser Urkunde und der Prozeß Heinrichs des Löwen, Hildesheim u.
Leipzig 1920. — Erben: Wilhelm Erben, Die erzählenden Sätze der Geln-
häuser Urkunde in „Papsttum und Kaisertum“ (Forschungen zur politischen
Geschichte und Geisteskultur des MA., Paul Kehr zum 65. Geburtstag dar-
gebracht, hrsg. von Albert Brackmann, München 1926, S. 390—414.)
Sitzungsberichte d. I-Ieidelb. Akad., philos.-hist. Kl. 1926/27. ?. Abli. 4