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Mitteis, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1926/27, 3. Abhandlung): Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich — Heidelberg, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.38925#0056
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56

Heinrich Mitteis:

N overint igitur universi . . . fideles itnperii, qualiter
Adilbertus frisingis episcopus . . . notis conquerendo significavit,
quod . . . Henricus de brunesvic . . . forum in Veringen . . . destru-
xerit et illud in villam Munichen violenter transtulerit .... (Fol-
gen 2 Sätze über den Beweis.)
Consequenter igitur . . . iudicatum est, quod praefati
Hainrici factum . ... in irritum ducere imperialis deberet auctoritas.
Quocirca . . . forum . . . episcopo frisingensi . . . restituimus etc.
Auch hier sollte nicht die Tatsache der Klagerhebung und des
Beweises, sondern die des Urteils als Grundlage der dispositio den
Hauptinhalt der narratio bilden; das Urteil aber wird nicht in
dem qualiter-Satz, sondern in dem drittnächsten Hauptsatz ge-
bracht! Es scheint geradezu, als ob es sich hier um ein bewußtes
Stilelement gehandelt habe, das der Sprache der Urkunden eine
besondere Würde und eindrucksvolle Feierlichkeit geben sollte.
Die Sätze werden möglichst nicht subordiniert, sondern parataktisch
nebeneinandergestellt. So paßt auch der sprachliche Ausdruck zum
Bilde der Schrift, die auch noch im Mittelalter, wie im klassischen
Altertum, Zeichen bildet „für Worte, die Befehle waren“1.
So wäre also aus der Zweisätzigkeit2 der Urkunde und der
dadurch bedingten Herrschaftsstellung des qualiter ein starkes Ar-
gument gegen Güterbocks quia abzuleiten. Wenden wir uns nun
von der paläographisch-diplomatischen zur rechtshistorischen Seite
der Sache, so muß zunächst die Möglichkeit einer einmaligen
peremptorischen Ladung geprüft werden.
Daß das edictum unum pro omnibus, kraft dessen auf Grund
einer peremptorischen Ladung zum Urteil geschritten werden
konnte, dem Reichshofgericht bekannt war, hat Güterbock3 ein-
wandfrei dargetan und damit einen schönen Beitrag zur Früh-
rezeption geliefert. Daß es aber im Prozeß Heinrichs des Löwen
zur Anwendung gekommen wäre — dafür ist er uns den Beweis
1 Nach G. Jaci-imann, Die Originalität der römischen Literatur (Kölner
Antrittsrede), 1926, S. 11.
2 Kein Argument gegen die Zweisätzigkeit vermag ich aus dem von
Güterbock II S. 57 zitierten und so hoch eingeschätzten Urteil gegen Humbert
von Savoyen (1187) zu gewinnen. Denn dort handelt es sich eben um die
Feststellung nur einer Tatsache, der Verurteilung auf mehrfache Ladung
hin. Der ganze Satz ist syntaktisch nicht mit der ganzen narratio der Geln-
häuser Urkunde, sondern nur mit deren zweitem Teil (von Deinde ab) in Paral-
lele zu setzen.
3 S. aber schon Ficker, Untersuchungen I, 185ff.
 
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