Politische Prozesse.
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als „mit ordelen“ erfolgt bezeichnet wird, darf vom Standpunkt
des mittelalterlichen Prozeßrechts, nach dem sich das Verfahren
von Zwischenurteil zu Zwischenurteil fortbewegt und jeder prozeß-
leitende Beschluß als „Urteil“ bezeichnet werden kann, nicht
wundernehmen; auch das französische Recht kennt die ganz ent-
sprechende Einrichtung des „ajournement o jugement“, und zwar
gerade in königsrechtlichen Quellen1.
Wir können es daher schließlich dahingestellt sein lassen, ob
Heinrich der Löwe überhaupt zu bestimmten Hoftagen geladen
worden ist und welches diese waren. In juristischer Beziehung
interessanter ist jedenfalls die Frage, in welchem Verhältnis die
beiden Prozesse überhaupt zueinander stehen. Handelt es sich um
eine rein zufällige historische Abfolge, oder besteht zwischen dem
land- und dem lehnrechtlichen Verfahren eine irgendwie kausale
Beziehung? Das letztere ist prima facie zu vermuten. Denn es ist
sicher anzunehmen, daß die Gelnhäuser Urkunde, die doch dieWeiter-
verleihung Sachsens ausschließlich auf die Kontumaz vor dem
Lehnsgericht zu gründen unternimmt, das achtrechtliche Verfahren
eben nui aus dem Grunde erwähnt, weil sich aus ihm irgendwelche
Tatbestandselemente des Lehnsverfahrens ableiten lassen. Es ist
daher zu untersuchen, ob die Urteils- oder wenigstens die Ladungs-
gründe des Lehnsprozesses dem landrechtlichen Verfahren ent-
nommen sein können.
Dazu muß zunächst die Frage erörtert werden, weiche von den
in der Gelnhäuser Urkunde genannten gegen den Beschuldigten
geltend gemachten einzelnen Tatsachen als Ladungs-, welche als
Urteilsgründe in Frage kommen. Es ist hierbei sehr wesentlich, sich
immer gegenwärtig zu halten, wie die prozessuale Situation im
ganzen lag. Dabei ist davon auszugehen, daß Heinrich sich in
keinem Stadium des Verfahrens auf die landrechtliche oder lehn-
rechtliche Klage eingelassen hat. Zwar hat man gelegentlich Nach-
richten historiographischer Quellen in diesem Sinne zu inter-
pretieren versucht. Aber es ist damit nicht weiterzukommen; an
bestimmten und präzisen Angaben wie etwa im Falle Ottos von
Northeim oder Wilhelms von Genf fehlt es vollständig. Wir können
die beiden Verfahren daher korrekterweise nur als „vorprozessuale“
im oben S. 14 dargelegten Sinne auffassen. Wir haben ferner
1 Vgl. Etablissements de St. Louis 1, c. 72; Violl.et II, p. 115. Assises
de la Haute Cour de Jerusalem, c. 30.
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als „mit ordelen“ erfolgt bezeichnet wird, darf vom Standpunkt
des mittelalterlichen Prozeßrechts, nach dem sich das Verfahren
von Zwischenurteil zu Zwischenurteil fortbewegt und jeder prozeß-
leitende Beschluß als „Urteil“ bezeichnet werden kann, nicht
wundernehmen; auch das französische Recht kennt die ganz ent-
sprechende Einrichtung des „ajournement o jugement“, und zwar
gerade in königsrechtlichen Quellen1.
Wir können es daher schließlich dahingestellt sein lassen, ob
Heinrich der Löwe überhaupt zu bestimmten Hoftagen geladen
worden ist und welches diese waren. In juristischer Beziehung
interessanter ist jedenfalls die Frage, in welchem Verhältnis die
beiden Prozesse überhaupt zueinander stehen. Handelt es sich um
eine rein zufällige historische Abfolge, oder besteht zwischen dem
land- und dem lehnrechtlichen Verfahren eine irgendwie kausale
Beziehung? Das letztere ist prima facie zu vermuten. Denn es ist
sicher anzunehmen, daß die Gelnhäuser Urkunde, die doch dieWeiter-
verleihung Sachsens ausschließlich auf die Kontumaz vor dem
Lehnsgericht zu gründen unternimmt, das achtrechtliche Verfahren
eben nui aus dem Grunde erwähnt, weil sich aus ihm irgendwelche
Tatbestandselemente des Lehnsverfahrens ableiten lassen. Es ist
daher zu untersuchen, ob die Urteils- oder wenigstens die Ladungs-
gründe des Lehnsprozesses dem landrechtlichen Verfahren ent-
nommen sein können.
Dazu muß zunächst die Frage erörtert werden, weiche von den
in der Gelnhäuser Urkunde genannten gegen den Beschuldigten
geltend gemachten einzelnen Tatsachen als Ladungs-, welche als
Urteilsgründe in Frage kommen. Es ist hierbei sehr wesentlich, sich
immer gegenwärtig zu halten, wie die prozessuale Situation im
ganzen lag. Dabei ist davon auszugehen, daß Heinrich sich in
keinem Stadium des Verfahrens auf die landrechtliche oder lehn-
rechtliche Klage eingelassen hat. Zwar hat man gelegentlich Nach-
richten historiographischer Quellen in diesem Sinne zu inter-
pretieren versucht. Aber es ist damit nicht weiterzukommen; an
bestimmten und präzisen Angaben wie etwa im Falle Ottos von
Northeim oder Wilhelms von Genf fehlt es vollständig. Wir können
die beiden Verfahren daher korrekterweise nur als „vorprozessuale“
im oben S. 14 dargelegten Sinne auffassen. Wir haben ferner
1 Vgl. Etablissements de St. Louis 1, c. 72; Violl.et II, p. 115. Assises
de la Haute Cour de Jerusalem, c. 30.