Politische Prozesse.
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gehen, da ja durch Fickers1 Untersuchungen, hinlänglich geklärt
ist, daß wir es in dem einen Falle mit Fürsten älteren Stiles, im
zweiten nur mit Angehörigen des jüngeren Reichsfürstenstandes
zu tun haben. Ferner ist verschieden die Handhabung des Ver-
fahrens —• zwar nicht, wie man meinte2, bezüglich der Zahl der
Ladungen, wohl aber insofern als die lehnrechtliche Ladung aus-
drücklich als schriftliche bezeichnet wird, ein Rechtsbrauch, der
sich fortan dauernd nachweisen läßt3. Verschieden ist endlich die
Wirkung des Urteils. Dort die Acht, die sich schließlich zur
Oberacht steigert und bedeutet, daß der Ächter alle seine Lehen,
nicht nur die vom Reiche genommenen, verliert, ebenso seine Allo-
dien, ja, daß er in Zukunft rechtlos, also auch erb unfähig
sein soll. Im lehnrechtlichen Verfahren Aberkennung der vom
Lehnsherrn herrührenden Benefizien. Also scheinbar im Land-
recht eine extensiv weitergreifende Folge; aber diese ist intensiv
zugleich schwächer. Denn längst ist auch die Oberacht nicht
mehr mit dem vollen Schrecken der Friedlosigkeit umgeben; sie
kann gemildert, sie kann im Gnadenwege wieder aufgehoben
werden. So ist auch Heinrich der Löwe 1182 in die Verbannung
gegangen, aber nach wenigen Jahren wieder zurückgekehrt und
in einige seiner Eigengüter revestiert worden. Und von einer
Erstreckung der Oberacht auf die Kinder war schon keine Rede
mehr, sonst hätte nicht 1198 der alte staufisch-welfische Ge-
gensatz wieder aufbrechen und Otto von Braunschweig, der dritte
Sohn des Löwen, als Gegenkönig aufgestellt werden können.
Das Lehnsurteil erwies sich schließlich als das stärkere. Die
von ihm geschaffene Rechtslage, die Gewere des Neubelehnten,
sicherte es vor Widerruf; daraus nahm das Urteil seine Rechts-
kraftwirkung. So sind die in der Gelnhäuser Urkunde eingeleiteten
territorialen Verschiebungen in der Tat nicht mehr rückgängig
gemacht worden. Auf die Frage freilich, warum diese Neugestal-
tung an Stelle glatter Einziehung zugunsten der Krone erfolgte,
soll erst später eingegangen werden.
Mit dieser bewußten Gegenüberstellung von Land- und Lehn-
recht, mit der Basierung der wichtigsten Dispositionen auf das
1 Reichsfürstenstand II, S. 168ff.; Güterbock II, S. 68ff. mit ein-
gehender Widerlegung älterer Ansichten.
2 Güterbock II, S. 117.
3 Ssp. Lehnr. 72, § 1; Schwsp. 145; s. oben.
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gehen, da ja durch Fickers1 Untersuchungen, hinlänglich geklärt
ist, daß wir es in dem einen Falle mit Fürsten älteren Stiles, im
zweiten nur mit Angehörigen des jüngeren Reichsfürstenstandes
zu tun haben. Ferner ist verschieden die Handhabung des Ver-
fahrens —• zwar nicht, wie man meinte2, bezüglich der Zahl der
Ladungen, wohl aber insofern als die lehnrechtliche Ladung aus-
drücklich als schriftliche bezeichnet wird, ein Rechtsbrauch, der
sich fortan dauernd nachweisen läßt3. Verschieden ist endlich die
Wirkung des Urteils. Dort die Acht, die sich schließlich zur
Oberacht steigert und bedeutet, daß der Ächter alle seine Lehen,
nicht nur die vom Reiche genommenen, verliert, ebenso seine Allo-
dien, ja, daß er in Zukunft rechtlos, also auch erb unfähig
sein soll. Im lehnrechtlichen Verfahren Aberkennung der vom
Lehnsherrn herrührenden Benefizien. Also scheinbar im Land-
recht eine extensiv weitergreifende Folge; aber diese ist intensiv
zugleich schwächer. Denn längst ist auch die Oberacht nicht
mehr mit dem vollen Schrecken der Friedlosigkeit umgeben; sie
kann gemildert, sie kann im Gnadenwege wieder aufgehoben
werden. So ist auch Heinrich der Löwe 1182 in die Verbannung
gegangen, aber nach wenigen Jahren wieder zurückgekehrt und
in einige seiner Eigengüter revestiert worden. Und von einer
Erstreckung der Oberacht auf die Kinder war schon keine Rede
mehr, sonst hätte nicht 1198 der alte staufisch-welfische Ge-
gensatz wieder aufbrechen und Otto von Braunschweig, der dritte
Sohn des Löwen, als Gegenkönig aufgestellt werden können.
Das Lehnsurteil erwies sich schließlich als das stärkere. Die
von ihm geschaffene Rechtslage, die Gewere des Neubelehnten,
sicherte es vor Widerruf; daraus nahm das Urteil seine Rechts-
kraftwirkung. So sind die in der Gelnhäuser Urkunde eingeleiteten
territorialen Verschiebungen in der Tat nicht mehr rückgängig
gemacht worden. Auf die Frage freilich, warum diese Neugestal-
tung an Stelle glatter Einziehung zugunsten der Krone erfolgte,
soll erst später eingegangen werden.
Mit dieser bewußten Gegenüberstellung von Land- und Lehn-
recht, mit der Basierung der wichtigsten Dispositionen auf das
1 Reichsfürstenstand II, S. 168ff.; Güterbock II, S. 68ff. mit ein-
gehender Widerlegung älterer Ansichten.
2 Güterbock II, S. 117.
3 Ssp. Lehnr. 72, § 1; Schwsp. 145; s. oben.